Vierter Artikel. Etwas Geschautes kann nicht insoweit Gegenstand des Glaubens sein.
a) Dagegen heißt es: I. Joh. 20.:„Weil du mich geschaut, Thomas, hast du geglaubt.“ Also auf das Nämliche richtet sich das Schauen und das Glauben. II. 1. Kor. 13.: „Wir schauen nun durch den Spiegel im Rätsel;“ und der Apostel spricht da vom Glauben. III. Der Glaube ist ein geistiges Licht; durch das Licht aber wird immer etwas geschaut. IV. „Jeder Sinn wird in gewisser Weise als Sehen bezeichnet“ sagt Augustin (de verb. Dom. 33.). Der Glaube aber richtet sich auf das Gehörte nach Röm. 10, 17. Also erstreckt sich der Glaube auf die geschauten Dinge. Auf der anderen Seite sagt Paulus (Hebr. 11.): „Der Glaube ist der Beweis dessen, was nicht geschaut wird.“
b) Ich antworte, der Glaube sei ein Zustimmen der Vernunft zu dem, was geglaubt wird. Solches Zustimmen geschieht aber 1. deshalb, weil die Vernunft vom Gegenstande selber her zum Zustimmen bestimmt wird; sei es daß dieser unmittelbar durch sich selbst gekannt wird, wie bei den ersten Grundprincipien, sei es daß derselbe durch Anderes gewußt wird, wie bei den Schlußfolgerungen, welche die Wissenschaft umfaßt. Dann stimmt 2. die Vernunft zu etwas zu; nicht als ob der eigens entsprechende Gegenstand sie genügend dafür bestimmte, sondern weil sie mittels freier Wahl weit mehr den einen Teil für wahr hält wie den anderen. Geschieht dies nun mit Zweifel und mit einer gewissen Furcht, der Gegenpart könne wahr sein, so ist dies Meinung; geschieht es mit Gewißheit, ohne solche Furcht, so ist es Glaube. Geschaut nun werden jene Gegenstände, welche von sich aus die Vernunft oder den Sinn bestimmen. Weder Glauben noch Meinen also kann auf etwas Geschautes gehen, mag es um den Sinn oder um die Vernunft sich handeln.
c) I. Thomas hat etwas Anderes geschaut und etwas Anderes geglaubt. Den „Menschen“ hat er geschaut und seinen Glauben an Gott hat er bekannt; denn er sagte: „Mein Herr und mein Gott.“ II. Was im Glauben enthalten ist, das kann in zweifacher Weise betrachtet werden:einmal im besonderen; und so kann nicht das Nämliche zugleich Gegenstand des Glaubens und des Schauens sein; — dann im allgemeinen, nämlich unter dem allgemeinen Gesichtspunkte des Glaubwürdigen; und so ist geschaut das, was jemand glaubt. Denn er würde nicht glauben, wenn er nicht schaute, daß das Nämliche glaubwürdig sei entweder wegen der Evidenz der Wunder und wegen Ähnlichem. III. Das Licht des Glaubens macht, daß man das schaut, was man glaubt; d. h. was man glaubwürdig findet.Denn wie durch andere Zustände von Tugenden der Mensch das schaut, was ihm gemäß jenem Zustande zukömmlich ist; so wird durch den Zustand des Glaubens der menschliche Geist hingeneigt, um zuzustimmen dem, was dem rechten Glauben entspricht und nicht etwas Anderem, IV. Das Gehör richtet sich auf die Worte, welche ausdrücken und bezeichnen, was Gegenstand des Glaubens ist; nicht aber richtet es sich auf die Dinge selbst, welche geglaubt werden; und sonach dürfen solche Dinge nicht geschaut sein.
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