Erster Artikel. Der Gegenstand des Glaubens ist die erste Wahrheit.
a) Dies scheint nicht ausreichend.Denn: I. Was uns zu glauben vorgestellt wird, ist nicht einzig die erste Wahrheit; sondern auch Solches, was zur Menschheit Christi gehört oder zu den Sakramenten oder zur Erschaffung der Kreaturen. II. Glaube und Ungläubigkeit richten sich auf den nämlichen Gegenstand. Wer aber etwas leugnet von dem, was die heilige Schrift sagt, wird bereits als ein Ungläubiger erachtet. Also auf Alles, was in der heiligen Schrift enthalten ist, erstreckt sich der Glaube, worin doch Vieles über Menschen und überhaupt über Geschöpfe gesagt wird. III. Der Glaube erstreckt sich so weit wie die heilige Liebe. Diese aber hat nicht Gott allein, sondern auch den Nächsten zum Gegenstande. Nicht also die erste Wahrheit allein ist Gegenstand des Glaubens. Auf der anderen Seite sagt Dionysius (7. de div. nom.): „Der Gegenstand des Glaubens ist die einfache und immer existierende Wahrheit;“ also die erste.
b) Ich antworte,der Gegenstand eines jeden Erkenntniszustandes könne nach zwei Seiten hin betrachtet werden: 1. nach dem materialen Bestände dessen, was erkannt wird; insoweit nämlich das betreffende Ding noch der es zu einem erkennbaren machenden, also eingehender bestimmenden und vollendenden Form bedarf; — 2. nach dem formalen Bestande; insoweit nämlich Jenes erwogen wird, wodurch etwas bestimmt erkennbar hingestellt erscheint. So bilden den materialen Gegenstand der Geometrie die Schlußfolgerungen; den formalen die Beweisgründe, wodurch dieselben als geometrische Wahrheiten erkannt werden; — und für das Auge sind die Körper die materialen Gegenstände, die Farbe ist der formale Gegenstand. Sprechen wir also beim Glauben vom formalen, zum Erkennen bestimmenden Gegenstande, so ist dieser nichts Anderes wie die erste Wahrheit. Denn der bestimmende Grund in Allem, was man glaubt, also in jeglicher Wahrheit, der infolge des Glaubens zugestimmt wird, ist die erste Wahrheit; nämlich der Umstand, daß es von Gott geoffenbart worden. Der vermittelnde Beweisgrund demnach, auf den der Glaube sich stützt, ist die erste Wahrheit selber. Sprechen wir aber von den Gegenständen des Glaubens nach der materialen Seite hin, also insofern etwas bestimmt wird, um erkannt zu werden durch die erste Wahrheit, so ist nicht Gott allein der Gegenstand des Glaubens, sondern vieles Andere; jedoch immer nur, insoweit etwas Beziehung hat zu Gott, insoweit also durch einzelne Wirkungen Gottes der Mensch unterstützt wird, um nach der seligen Anschauung Gottes zu streben. Also auch von dieser Seite her ist am Ende immer die erste Wahrheit es allein, die da Gegenstand des Glaubens ist, inwieweit nämlich etwas einzig als in Beziehung stehend zu Gott geglaubt wird. So ist z. B. der Gegenstand der ärztlichen Wissenschaft die Gesundheit; denn nichts wird von ihr betrachtet außer mit Beziehung auf die Gesundheit.
c) I. Durch die Menschheit Christi, die Sakramente etc. werden wir zu Gott hingeordnet; und wir stimmen diesen Wahrheiten zu auf Grund Gottes als der ersten Wahrheit. II. Ebenso. III. Auch die Liebe liebt den Nächsten wegen Gott; ihr eigentlicher Gegenstand ist also Gott. (Kap. 25.)
