Erster Artikel. Glauben heißt denkend zustimmen.
a) Das Gegenteil ist der Wahrheit näher. Denn: I. Das Denken besagt immerdar ein Untersuchen. „Der Glaube aber ist keine solche Zustimmung, welche in irgend welcher Untersuchung ihren ausreichenden Grund hat,“ sagt Damascenus.(4. de orth. fide c. 12.) II. Der Glaube ist in der Vernunft. Denken aber ist die Thätigkeit der Denkkraft, die zum sinnlichen Teile gehört, nach I. Kap. 78, Art. 4. Also ist Glauben kein Denken. III. Glauben ist eine Thätigkeit der Vernunft. Zustimmen aber ist nach I., II. Kap. 15, Art. 1 ad III. eine Thätigkeit des Willens. Zustimmend denken also heißt nicht: Glauben. Auf der anderen Seite steht Augustin (de praed. sanctor. 2.).
b) Ich antworte, „Denken“ werde genommen 1. gemeinhin für jedes thatsächliche Erwägen seitens der Vernunft, nach Augustin (14. de Trin. 7.): „Ich nenne das nun Verstehen, was wir denkend auffassen.“ Denken wird 2. genommen in mehr eingeschränkter Bedeutung für ein Erwägen der Vernunft, was mit einem gewissen Untersuchen verbunden ist, bevor man zur vollendeten Gewißheit der Anschauung gelangt; danach sagt Augustin (15. de Trin. 16.): „Gottes Sohn heißt nicht „Gedanke“ oder „Denken“, sondern „Wort“ Gottes. Denn wenn unser Denken dahin gelangt, daß wir wissen; und wenn es demgemäß geformt ist, heißt es unser Wort. Und deshalb muß man das persönliche Wort Gottes so verstehen, daß da kein Denken vorhergeht; als ob etwas nach einem Anderen geformt oder vollendet werden müßte, was vorher unentwickelt gewesen wäre.“ Danach nun ist Denken so recht eigentlich die Thätigkeit des überlegenden Geistes, der noch nicht zur Gewißheit des Schauens gelangt ist. Weil nun eine solche Bewegung sich vollziehen kann mit Rücksicht auf die Auffassungen des Allgemeinen, wie der Vernunft ein derartiges Erwägen entspricht; oder auch mit Rücksicht auf die Auffassungen des an sich Beschränkten und Besonderen, was dem sinnlichen Teile entspricht, so ist „Denken“ zuvörderst eine Thätigkeit der überlegenden Vernunft; — und 3. eine Thätigkeit der sinnlichen Denkkraft. Wird nun „Denken“ in der erstgenannten Weise genommen, so besagt das „denkende Zustimmen“ nicht den ganzen Begriff dessen, was man „Glauben“ nennt. Wird es aber in der zweitgenannten Weise genommen, so ist es durchaus gleichbedeutend mit dem Begriffe „glauben.“ Denn von den Akten der Vernunft schließen manche eine feste Zustimmung ein ohne solches Denken; wie wenn jemand betrachtet das, was er weiß oder erkennt, denn solche Betrachtung besitzt bereits ihre Vollendung und Form. Andere Akte der Vernunft aber schließen ein noch unvollendetes Denken in sich ein ohne feste Zustimmung, wie wenn jemand zweifelt, d. h. zu keinem Gliede eines Gegensatzes hinneigt; oder wenn er mutmaßt, d. h. zu einem Teile des Gegensatzes wohl mehr hinneigt, aber nur auf Grund eines leichten Zeichens; oder wenn er eine Meinung hat, so daß er dem Ja oder dem Nein zwar anhängt, jedoch mit der Furcht, das Gegenteil könne wahr sein. Der Akt des Glaubens aber besagt eine durchaus feste Zustimmung; und kommt da überein mit dem Wissen und Verstehen; — die Kenntnis jedoch, die er bedingt, ist noch nicht vollendet durch offenes Schauen; und darin kommt er überein mit dem Zweifelnden, Mutmaßenden, Meinenden. Und so ist es die eigentliche Bedeutung des Begriffes „glauben“: Zustimmend denken. Danach unterscheidet sich dieser Akt sonach von allen anderen Akten der Vernunft, die das Wahre und Falsche zum Gegenstande haben.
c) I. Der Glaube schließt kein Untersuchen der natürlichen Vernunft ein, was zu einem Beweise dessen führte, was geglaubt wird. Wohl aber schließt er ein Untersuchen dessen ein, wodurch der Mensch zum Glauben angeleitet wird; wie z. B. weil Gott etwas gesagt und durch Wunder bekräftigt hat. II. Das „Denken“ hier bezieht sich nicht auf die sinnliche Denktraft. III. Die Vernunft des Glaubenden wird durch den Willen dazu bestimmt, einem gewissen Punkte anzuhängen. Zustimmen also wird hier für den Vernunftakt genommen, insoweit die Vernunft ihre Bestimmung vom Willen erhält.
