Neunter Artikel. Glauben ist verdienstvoll.
a) Das scheint nicht. Denn: I. Das Princip alles Verdienstes bei Gott ist die Liebe. Der Glaube aber ist nur, ähnlich wie die Natur, ein die Liebe vorbereitender Zustand. Wie wir also kraft der Natur nicht bei Gott verdienen, ebenso verdienen wir nicht kraft des Glaubens. II. Glauben steht in der Mitte zwischen Meinen und Wissen oder das Gewußte betrachten. Betrachten aber die Wissenschaft ist nichts Verdienstvolles und ebenso ist es das Meinen; also auch nicht das Glauben. III. Wer einer Behauptung glaubend zustimmt, der hat entweder eine genügende Ursache, die ihn dazu anleitet oder nicht. Hat er eine solche Ursache, die das als zu glauben Vorgestellte glaubwürdig macht, so ist es kein Verdienst, zu glauben; denn er kann schon nicht anders. Hat er keine solche Ursache, so ist es Leichtsinn, zu glauben; denn Ekkli. 19. heißt es: „Wer schnell etwas glaubt, ist im Herzen leichtsinnig.“Also ist glauben nicht verdienstvoll. Auf der anderen Seite heißt es Hebr. 11.: „Die Heiligen haben kraft des Glaubens die Verheißungen erreicht;“ also haben sie dieselben durch den Glauben verdient.
b) Ich antworte, unsere Werke seien verdienstvoll, insoweit sie vom freien Willen ausgehen, der den Anstoß zur Thätigkeit von Gott erhalten hat durch die Gnade. Jeder menschliche Akt also, der dem freien Willen unterliegt, kann verdienstvoll sein, wenn er auf Gott bezogen ist. Das Glauben aber selber als Akt ist eine Thätigteit der Vernunft, die da auf Befehl des durch die Gnade von seiten Gottes bewegten Willens der göttlichen Wahrheit zustimmt; und so unterliegt das Glauben dem freien Willen, insoweit dieser zu Gott hin in Beziehung gesetzt ist. Der Glaubensakt also kann verdienstlich sein.
c) I. Die Natur steht zur heiligen Liebe im nämlichen Verhältnisse wie der Stoff zu der ihn bestimmenden Form. Der Glaube aber steht zur heiligen Liebe, dem ersten Princip alles Verdienstes, im Verhältnisse einer den Stoff bereits vollendenden Verfassung oder einer vorbereitenden Form zur letzt vollendenden. Offenbar nun kann der Stoff oder das Subjekt überhaupt nur kraft der Form thätig sein; und auch die vorbereitende Form ist nicht zweckmäßig thätig, ehe nicht die abschließende Form hinzugetreten ist. Ist aber diese letztere hinzugetreten, so ist sowohl das Subjekt wie die vorbereitende Verfassung thätig kraft der abschließenden Form, die das hauptsächliche Princip des Thätigseins bildet. So ist auch die Wärme des Feuers nur thätig vermittelst der Kraft der substantiellen Form. Weder also die Natur noch der Glaube kann ohne die Liebe einen verdienstvollen Akt hervorbringen; tritt aber die heilige Liebe hinzu, so wird der Akt des Glaubens verdienstvoll kraft der Liebe wie auch der Akt der Natur und der natürliche Akt des freien Willens. II. Im Wissen ist zuvörderst die Zustimmung der Vernunft. Und diese unterliegt nicht dem freien Willen; denn jener, der etwas weiß, ist gezwungen zuzustimmen durch die wirksame Kraft des Beweises; hier ist also nichts Verdienstliches. Dann ist im Wissen die thatsächliche Erwägung oder Betrachtung des Gewußten. Und diese unterliegt dem freien Willen; denn der Mensch kann betrachten oder nicht betrachten; hier also kann etwas Verdienstliches sich finden, wenn dieses Erwägen bezogen wird auf die Ehre Gottes oder den Nutzen des Nächsten, also auf die Liebe. Im Glauben jedoch unterliegt Beides, Zustimmen und Erwägen, dem freien Willen; und somit ist da der betreffende Akt nach beiden Seiten hin verdienstlich.Die Meinung schließt keine feste Zustimmng in sich ein; sie ist nach 1. Poster. etwas Schwächliches und scheint nicht aus entschlossenem Willen hervorzugehen. Also von dieser Seite her ist bei ihr nicht viel von Verdienst die Rede. Von seiten des thatsächlichen Erwägens aber kann sie verdienstlich sein. III. Wer glaubt, wird genügenderweise angeleitet zum Glauben; denn es leitet ihn dahin die Autorität der durch Wunder bekräftigten göttlichen Lehre und, was mehr ist, der innere Antrieb des heiligen Geistes. Nicht leichten Sinnes glaubt er also. Was ihn aber zum Glauben hinleitet, das ist nicht genügender Beweggrund für das Wissen; und somit schwindet nicht der Charakter des Verdienstes.
