Erster Artikel. Almosen geben ist ein Akt der Liebe.
a) Dem wird widersprochen: I. Ein Akt der Liebe kann nicht ohne Liebe sein. Dies ist aber mit dem Almosen der Fall, nach 1. Kor. 13.: „Wenn ich all das Meine den Armen gebe und habe keine Liebe, so ist das unnütz.“ II. Das Almosen zählt zu den Werken der Genugthuung, nach Dan. 4.: „Deine Sünden löse los durch Almosen.“ Genugthuung aber gehört zur Gerechtigkeit. III. Opfergaben darbringen ist ein Akt der Gottesverehrung. Dazu aber gehört das Almosen, nach Hebr. 13.: „Wohlzuthun und Almosen zu geben vergesset nicht; denn mit solchen Opfergaben verdient man Gott.“ IV. Aristoteles zählt es zu den Akten der Freigebigkeit, etwas zu geben um des Guten willen. (4 Ethic. 1.) Also ist Almosengeben kein Akt der Liebe. Auf der anderen Seite heißt es 1. Joh. 3.: „Wer da die Güter dieser Welt hat und sein Inneres verschließt, da er seinen Bruder Not leiden sieht, wie soll die Liebe Gottes in ihm sein.“
b) Ich antworte, die äußerlichen Thätigkeiten werden auf jene Tugend bezogen, der das zugehört, was zu dergleichen Thätigkeit der Beweggrund ist. Der Beweggrund aber, um Almosen zu geben, ist, dem Bedürftigen beizustehen, so daß manche das Almosen definieren als „ein Werk, vermittelst dessen dem Bedürftigen etwas aus Mitleid gegeben wird um Gottes willen.“ Ein solcher Beweggrund nun gehört der Barmherzigkeit an. Da also die Barmherzigkeit eine Wirkung der heiligen Liebe ist, so ist durch Vermittlung der Barmherzigkeit das Almosengeben ein Akt der Liebe. Deshalb wird auch das Wort selber: Almosen (eleemosyna), gemäß dem Griechischen, vom Erbarmen abgeleitet.
c) I. Es ist etwas der Akt einer Tugend 1. dem äußeren Werke nach, im materialen Sinne, wie Gerechtes thun; und ein solcher Akt kann ohne die entsprechende Tugend sein, wie ich thun kann, was an sich gerecht ist, obgleich ich die Tugend der Gerechtigkeit nicht besitze, aus Furcht z. B.; — 2. dem inneren Beweggrunde nach, im formalen Sinne, wie wenn ich Gerechtes thue gern und bereitwillig, in gerechter Weise; und ein solcher Akt kann nicht ohne die entsprechende Tugend sein. So nun, im ersten Sinne, kann ich Almosen geben ohne Liebe; im zweiten Sinne, also um Gottes willen und gern und freudig, kann ich es nicht ohne Liebe. II. Ein Tugendakt kann der einen Tugend angehören als dem nächsten handelnden Princip und einer anderen als der befehlenden, anordnenden. Und so wird das Almosen unter die genugthuenden Werke gesetzt, weil es von dieser Tugend angeordnet ist; und unter die Werke der Gottesverehrung, wenn diese es anordnet. III. Damit beantwortet. IV. Die Freigebigkeit hebt das Hindernis auf für das Almosen geben, nämlich die zu große Anhänglichkeit an den Reichtum; und so gehört zu dieser Tugend das Almosen.
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