Achter Artikel. Der untergebene kann als solcher kein Almosen machen.
a) Das wird bestritten. Denn: I. Wenn die Ordensleute, die unter der Macht des Oberen stehen, kein Almosen geben könnten, so würde ihnen der Ordensstand Nachteil bringen; „der Inbegriff nämlich des christlichen Lebens besteht in der Hingebung,“ bemerkt Ambrosius zu 1. Tim. 4. (Pietas ad omnia utilis est.) Solche Hingebung wird aber meist durch Almosen dargethan. II. Die Frau ist in der Gewalt des Mannes; kann aber Almosen geben, wie von der heiligen Lucia gelesen wird, daß sie ohne Wissen ihres Mannes Almosen machte. III. Die Kinder stehen unter der Gewalt der Eltern, nach Ephes. 6, 1. Sie können aber vom Besitze der Eltern Almosen machen, da sie denselben doch erben. IV. Der Knecht kann zum Nutzen des Herrn etwas thun; also kann er zum Vorteile des Herrn Almosen geben. Auf der anderen Seite darf man keine Almosen von fremdem Gute machen, sondern vom eigenen, rechtmäßig erworbenen. (Aug. de verb. Dom. serm. 25.) Die unter eines anderen Gewalt stehenden aber würden von fremdem Gute Almosen geben. Also dürfen sie dies nicht.
b) Ich antworte, der untergebene als solcher müsse sich regeln nach der Gewalt des Oberen. Denn dies ist die Ordnung in der Natur, daß die niedrigeren Kreaturen durch die höheren gelenkt werden. Insoweit also der untergebene dem Oberen untersteht, darf er von der Sache, die er verwaltet, kein Almosen selbständig machen. Soweit dem untergebenen etwas eigen zugehört, kann er es.
c) I. Von dem, was der Mönch nach Weisung des Oberen zu verwalten hat, kann er Almosen machen. Ist ihm nichts zu verwalten anvertraut, so kann er Letzteres nur unter ausdrücklicher oder vernünftigerweise vorausgesetzter Erlaubnis des Oberen; immer natürlich den äußersten Notfall ausgenommen, wo man erlaubterweise stehlen könnte, um Almosen zu geben. Damit ist der Mönch nicht in einer schlechteren Lage mit Rücksicht auf das christliche Leben; denn „gut ist es, vom Seinigen den Armen Almosen zu geben; aber besser ist es, um Christo zu folgen, insgesamt Alles zu verschenken und von allem Kummer frei mit Christo Mangel zu haben,“ heißt es in lib. de eccl. dogm. 71. II. Hat die Gattin etwas Eigenes, sei es auf Grund der Mitgift oder eigenen Erwerbs, so kann sie davon Almosen geben, aber mäßig, damit nicht der Mann verarmt. Sonst muß sie die ausdrückliche oder vernünftigerweise vorausgesetzte Erlaubnis ihres Mannes haben, ausgenommen den Fall des äußersten Notstandes. Denn obgleich mit Rücksicht auf das eheliche Leben die Frau dem Manne gleichberechtigt ist, so ist sie mit Rücksicht auf die Verwaltung des Hauses ihm doch unterworfen; „der Mann ist nämlich das Haupt der Frau“ nach 1. Kor. 11. Die heilige Lucia hatte keinen Ehemann, sondern einen verlobten. Also konnte sie mit der Erlaubnis der Mutter Almosen geben. III. Der Sohn kann kein Almosen machen, außer wenn der Vater ihm etwas zur Verwaltung übergeben hat. Dasselbe gilt IV. vom Dienstboten.
