Fünfter Artikel. Man muß nicht, weil der Eidschwur etwas Gutes und Nützliches ist. nach demselben streben und ihn häufig wiederholen.
a) Dagegen spricht: I. Wie das Gelübde, so ist auch der Eid ein Akt der Gottesverehrung. Es ist aber lobwerter und verdienstlicher, kraft eines Gelübdes etwas zu thun wie ohne ein solches. Also gilt dies auch vom Eide. II. „Wer schwört, der fürchtet oder liebt Gott,“ sagt Hieronymus. Dies ist aber etwas an sich Begehrenswertes. III. Der Eid soll die Rede des Menschen bekräftigen; und dies ist jedenfalls gut, daß der Mensch seinen Ausspruch bekräftigt. Auf der anderen Seite heißt es Ekkli. 25.: „Der Mensch, wel viel schwört, wird voller Ungerechtigkeit sein;“ und Augustin (de mend. 15) sagt: „Der Herr verbietet das Schwören, damit du nicht es gern thust und wie nach etwas Gutem mit einem gewissen Ergötzen danach strebst.“
b) Ich antworte; was nur gesucht wird, damit es einer gewissen Schwäche und einem Mangel abhelfe, kann nicht zu dem gezählt werden was an und für sich erstrebenswert ist, sondern nur als etwas Notwendiges wie die Medizin gesucht wird, um dem Kranken zu helfen. Der Eid wird gefordert, um der Schwäche des Menschen zu Hilfe zu kommen, deren der eine dem anderen nicht glaubt. Der Eid ist also nicht an sich erstrebenswert, sondern wie etwas für das menschliche Leben Notwendige und wer über die Grenzen des Notwendigen hinaus ihn gebraucht, mißbraucht denselben. Deshalb sagt Augustin (1. de serm. Dom. in monte 17.): „Wer dies erkennt, daß der Eid nur im Falle der Notwendigkeit zu gebrauen sei, der zügelt sich, soweit er kann; daß er nur dann desselben sich bediene, wenn die Notwendigkeit es erheischt.“
c) I. Durch das Gelübde ordnen wir etwas zur Bezeigung der Ehrfucht vor Gott hin; und deshalb wird dasselbe bereits kraft seines Inhalts ein Akt der Gottesverehrung. Im Eidschwure aber bedienen wir uns umgekehrt der bestehenden Ehrfurcht vor Gottes Namen, um ein Versprechen zu bekräftigen. Nicht also wegen seines Inhalts, wegen dessen nämlich, was bekräftigt wird, ist der Eid ein Akt der Gottesverehrung. II. Wer schwört, der setzt voraus und gebraucht die bestehende Furcht oder Liebe Gottes; er schwört aber nicht, um dadurch Gott zu ehren und zu lieben, sondern um einer Notwendigkeit des menschlichen Lebens willen III. Die Medizin ist gut, um den kranken zu heilen. Wird sie aber in zu starkem Maße genommen, über die Grenzen des Notwendigen hinaus, so schadet sie. So ist es mit dem Eide. Je mehr er gescheut werden muß, desto mehr Gefahr wohnt ihm inne. Deshalb sagt Ekkli. 23.: „Hast du den Bruder getäuscht, so wird sein Fehler dir angerechnet werden; wenn du heuchelst (d. i. um zu täuschen falsch schwörst), so sündigst du doppelt,“ denn „geheuchelte Billigkeit ist doppelte Bosheit“, sagt Augustin; „und wenn du ohne Grund geschworen hast, so wirst du nicht dich rechtfertigen können.“
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