Achter Artikel. Das Gelübde ist an und für sich mehr verpflichtend wie der Eid.
a) Das Umgekehrte ist der Fall. Denn: I. Das Gelübde ist nur ein einfaches Versprechen. Der Eid aber fügt zum Versprechen das göttliche Zeugnis hinzu. II. Das Gelübde wird bisweilen durch einen Eid bekräftigt. Also verpflichtet der Eid in höherem Grade. III. Die Verpflichtung eines Gelübdes hat ihren Grund in der Überlegung der Vernunft; die des Eides in der göttlichen Wahrheit, welche angerufen wird. Also ist die Verpflichtung des Eides eine höhere, wie die eines Gelübdes. Auf der anderen Seite geht kraft des Gelübdes jemand Gott gegenüber eine Verpflichtung ein; kraft des Eides aber wird man bisweilen nur einem Menschen gegenüber verpflichtet. Höher aber steht die Verpflichtung Gott gegenüber, wie die gegenüber einem Menschen.
b) Ich antworte, beide Verpflichtungen werden von etwas Göttlichem verursacht. Die Verpflichtung des Gelübdes aber wird verursacht von der Treue, die wir Gott schulden, daß wir nämlich das Ihm Versprochene erfüllen; die des Eides dagegen von der Ehrfurcht, die wir Ihm schulden, daß wir nämlich bewahrheiten, was wir unter Anrufung seines Zeugnisses versprochen. Da nun also in der Untreue der Mangel an Ehrfurcht enthalten ist; nicht aber umgekehrt, scheint doch die Untreue des Unterthan seinem Herrn gegenüber die höchste Mißachtung einzuschließen; — so verpflichtet seinem inneren Wesen nach das Gelübde offenbar stärker wie der Eid.
c) I. Das Gelübde ist nicht irgend welches, sondern ein Gott gemachtes Versprechen, welchem untreu zu sein im höchsten Grade schwerwiegend ist. II. Der Eid tritt zum Gelübde hinzu; nicht wie etwas stärkeres, sondern damit auf Grund von zwei unverrückbaren Dingen eine größere Festigkeit sich ergebe, III. Von seiten des gelobenden giebt die Überlegung dem Gelübde Festigkeit; größere Festigkeit aber erhält es von Seiten Gottes, dem es dargebracht wird.
