Zehnter Artikel. Manche persönliche Verhältnisse und manchmal die der bestimmten Zeit hindern die Eidesleistung.
a) Dagegen spricht: I. Der Eid dient zur Bekräftigung des Gesagten. Jeder aber kann seine Aussage bekräftigen. II. Schwerwiegender ist es, bei Gott zu schwören wie bei den Evangelien. Denn so sagt Chrysostomus (hom. 44. in Matth. op. imp.): „Etwas Geringes, meinen sie, sei es, bei Gott zu schwören; bei bedeutenderen Sachen müsse man beim Evangelium schwören. Diesen sage ich: Ihr Thoren, die heilige Schrift ist zu Gottes Ehre gemacht, nicht Gott zur Ehre der Schrift.“ Alle Personen aber schwören und zu jeder Zeit in allen Sachen bei Gott. Also ist es auch ebenso erlaubt, bei den Evangelien zu schwören. III. Das Nämliche wird nicht verursacht durch einander entgegengesetzte Ursachen. Manche Personen aber werden verhindert, einen Eid zu leisten, wegen mangelnden Alters wie die Kinder unter vierzehn Jahren; oder wegen bereits verbrochenen Meineides. Also müssen nicht Personen vom Eidleisten gehindert werden wegen ihrer zu großen Würde, wie die Kleriker, oder ebenso wegen großer Festtage. IV. Niemand in der Welt hat so große Würde wie ein Engel: „Wer der geringste ist im Himmel (nämlich unter den Engeln) ist größer wie er“ (Johannes der Täufer, der damals noch lebte). Nach der Apokalypse (10, 6.) aber „schwor ein Engel bei demjenigen, der in Ewigkeit lebt.“ Also keine Würde kann einen Menschen hindern, zu schwören. Auf der anderen Seite heißt es 22 Qq. 5. cap. 4.: „Der Priester soll keinen Eid leisten, sondern bei seiner heiligen Weihe gefragt werden;“ und 22 Qq. 5. cap. 22.: „Kein Kleriker soll sich vermessen, vor irgend einem Laien etwas auf die Evangelien zu beschwören.“
b) Ich antworte; im Eide sei 1. zu erwägen das Zeugnis Gottes; und mit Bezug darauf gebührt dem Eide die höchste Hochachtung, so daß Kinder vor dem vierzehnten Jahre, weil sie noch nicht den vollkommenen Gebrauch der Vernunft haben, von der Eidesleistung ausgeschlossen werden; und ebenso meineidige, bei denen man aus dem vergangenen Leben einen Mangel an Hochachtung vor dem Eide voraussetzt; deshalb bestimmtauch 22 Qq. 5. cap. 16,: „Der Anstand verlangt es, daß wer im Heiligtume zu schwören sich vermißt, dies nüchtern thut mit aller Furcht Gottes und Ehrbarkeit;“ — 2. die Schwäche des Menschen. Denn nur deshalb bedarf die Aussage eines Menschen des Eides, weil man an deren Wahrheit zweifelt. Dies ist aber gegen die Würde einer Person, daß man an der Wahrheit dessen, was sie sagt, zweifelt, weshalb „Personen von großer Würde es nicht zukommt, zu schwören.“ Und deshalb heißt es auch 2 Qq. 5. cap. Si quis presbyter: „Die Priester sollen nicht in unbedeutenden Dingen schwören.“ Fordert es aber die Notwendigkeit oder ein großer Nutzen und zumal in geistigen Dingen, so ist es ihnen erlaubt zu schwören. In letzteren, den geistigen Dingen, gebührt es sich dann, an Festtagen zu schwören, wo man mit Geistigem sich beschäftigen soll. Nur aber in großer Notwendigkeit soll man zeitliche Dinge an Festtagen beschwören.
c) I. Manche können infolge eines in ihnen bestehenden Mangels ihre Aussage nicht erhärten; anderer Aussage aber ist dermaßen zuverlässig, daß sie einer Erhärtung nicht bedarf. II. An sich ist ein Eid um so schwerwiegender und verpflichtender, je größer und höher das ist, wobei geschworen wird. (August. ep. 47. ad Public.) Danach also ist ein Eid, „bei Gott“ geleistet, schwerwiegender, wie der auf die Evangelien geleistete. Das Umgekehrte kann aber stattfinden wegen der Art und Weise des Schwörens; wenn nämlich der Eid auf die Evangelien mit großer Überlegung und Feierlichkeit geschieht und der „bei Gott“ leichthin. III. Das Nämliche kann aus zwei Ursachen hervorgehen, die sich entgegengesetzt sind wie Überfluß und Mangel; wie z. B. die Überschwemmung Unfruchtbarkeit erzeugt und ebenso der Mangel an Wasser. Deshalb schwören manche nicht, weil sie zu hoch stehen; und andere nicht, weil sie zu tief stehen. IV. Der Eidschwur des Engels will nicht bedeuten, als ob dem Engel die Wahrheit mangeln könnte und so seinem einfachen Worte nicht zu glauben sei; sondern er geschieht um darzulegen, daß etwas von der unfehlbaren Verfügung Gottes ausgehe. Aus diesem Grunde führt die heilige Schrift manchmal Gott selbst als schwörend ein; damit, wie Paulus Hebr. 6. sagt, die Unverrückbarkeit des Ausgesprochenen vorliege.
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