Achter Artikel. Das Gelübde des Gchorsams ist das hervorragendste unter den drei Ordensgelübden.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Die Vollkommenheit des Ordenslebens nimmt in Christo ihren Anfang. Christus aber hat wohl betreffs der Armut, nicht jedoch betreffs des Gehorsams einen Rat aufgestellt. II. Nach Ekkli. 26. „ist kein Abwägen zu vergleichen mit einer keuschen Seele.“ III. Vom Gelübde der Armut und der Keuschheit kann nicht dispensiert werden, so sehr sind sie mit dem Ordensleben verbunden. Aber vom Gelübde des Gehorsams gegenüber dem Ordensoberen kann der Papst dispensieren. Also steht letzteres tiefer wie die beiden ersten. Auf der anderen Seite wird nach Gregor (35. moral. 10.) „der Gehorsam mit Recht allen Opfern vorgezogen; denn in allen übrigen Opfern wird fremdes Fleisch, durch den Gehorsam der eigene Wille geschlachtet;“ nämlich das Hauptsächliche dargebracht.
b) Ich antworte, das Gelübde des Gehorsams sei das Hauptgelübde: 1. weil durch den Gehorsam der eigene Wille dargebracht wird, welcher über den eigenen Körper und über die äußeren Güter, die Gegenstände der Gelübde der Armut und der Keuschheit, hervorragt; danach sagt Hieronymus (ad Rusticum Monachum): „Das will ich dir lehren, nicht dich deiner Willkür zu überlassen… thue nicht was du willst, iß was man dir vorschreibt, besitze was man dir erlaubt, bekleide dich mit dem was man dir giebt,“ so daß also auch das Fasten nur dann Gott angenehm wird, wenn „darin nicht der eigene Wille gefunden wird“ (Isai. 58.); — 2. weil im Gelübde des Gehorsams die anderen beiden enthalten sind, nicht aber umgekehrt; — 3. weil das Gelübde des Gehorsams näher steht dem Zwecke des Ordenslebens, den ganzen Menschen Gott unterzuordnen. Deshalb ist das Gelübde des Gehorsams auch wesentlicher für den Orden. Denn wenn jemand nur die Gelübde der Armut und Keuschheit macht, so gehört er noch nicht zum Ordensstande; welcher doch der Jungfräulichkeit selber, auch wenn sie kraft eines Gelübdes beobachtet wird, voransteht, nach Augustin (de virginit. 46.): „Niemand, wie ich glaube, wird es wagen, die Jungfräulichkeit voranzustellen dem Ordensstande.“
c) I. Das Gelübde des Gehorsams ist in der Nachfolge Christi selber eingeschlossen. Denn wer gehorcht, thut des anderen Willen. Also gehört es mehr zur Vollkommenheit wie die freiwillige Armut; da nach Hieronymus (zu cap. 19. Matth. Ecce nos relinquimus „Petrus hinzugefügt, was vollkommen ist, als er sagte: Und wir sind Dir nachgefolgt.“ II. Die jungfräuliche Keuschheit wird nach dieser Stelle nicht allen Tugendwerken, sondern der ehelichen Keuschheit vorgezogen; oder den Schätzen in Gold und Silber, die abgewogen werden können; oder unter der Enthaltsamkeit wird da verstanden das Enthalten von allem Übel (Kap. 155, Art. 4 ad 1.) III. Der Papst kann nur so eine Ausnahme machen, daß der betreffende Ordensmann in dem, was zur Vollkommenheit gehört, einem niedrigeren Oberen nicht zu gehorchen hat; — aber nicht so, daß er keinem Oberen zu gehorchen hat.
