11.
S. 218 Das ist das Kennzeichen des Christentums, daß der Mensch, auch wenn er noch soviel sich abgemüht und noch so viele Werke der Gerechtigkeit vollbracht hat, sich so verhalte, als hätte er nichts getan, daß, wenn er fastet, spreche: Ich habe nicht gefastet; wenn er betet: Ich habe nicht gebetet; wenn er im Gebete verharrt: Ich habe nicht verharrt, ich stehe erst am Anfang des Mühens und Übens. Und ist er auch „gerecht bei (= im Urteil von) Gott“1, er muß doch sagen: Ich bin noch nicht gerecht, ich gebe mir noch keine Mühe, sondern bin täglich erst Anfänger. Er muß Tag für Tag die Hoffnung, die Freude und die Erwartung des künftigen Reiches und der Erlösung hegen und sprechen: Wenn ich auch heute noch nicht erlöst bin, so werde ich morgen erlöst. Wer einen Weinberg pflanzt, trägt in sich schon vor Arbeitsbeginn die Freude und die Hoffnung. Er entwirft im Geiste schon im voraus die Weinstöcke und berechnet die Erträgnisse, noch ehe der Wein gewachsen. Und so macht er sich an die Arbeit. Denn die Hoffnung und die Erwartung spornt ihn zu eifriger Arbeit an und er gibt eine Zeitlang vieles von seinem Vermögen aus. Desgleichen setzt der, der ein Haus baut oder ein Feld bearbeitet, in der Hoffnung auf künftigen Gewinn vieles von dem Seinigen daran. So kann einer, dem nicht die freudige Hoffnung vor Augen schwebt: Ich werde Erlösung und Leben erlangen, unmöglich die Drangsale und die Last ertragen und den engen Weg wandeln. Denn nur wenn die Hoffnung und Freude ihn begleiten, wird er sich Mühen unterziehen, die Drangsale und die Last ertragen und den engen Pfad aufnehmen.
Röm. 2, 13. ↩
