4.
Dieses jedoch hörst du gewiß freudig an und alle preisen es. Ich gestehe dir nehmlich ein, daß kein Einziger eine so ausgebreitete Herrschaft besitzt, solchen Reichthums Fülle, mehr noch, als der alte Dareios, unzählbare Rosse, und, um diese zu bemannen, Bogenschützen und Panzerträger, gegen die, wenn sie einen Führer haben, jeder Wider- stand kraftlos ist. Auch flehen zahllose Städte zu dir, wovon die meisten dich nicht einmal gesehen, noch den wünschenswertesten Anblick zu schauen erwarten. Das, was wir dir sagen, ist reine Wahrheit. Worin also stimmen wir mit jenen nicht überein? Jene winden dir deshalb Kränze des Lobes S. 66 und nennen dich glückselig; ich hingegen möchte dich deshalb am wenigsten loben, vor allem aber glücklich preisen; denn nicht Einer Natur, sondern verschieden ist beides, Glücklichpreisung und Lob. Glücklich gepriesen wird man der äußern, gelobt der innern Güter wegen, worauf Glückseligkeit ihren Sitz gründet. Jenes ist ein unsicheres Geschenk des Glücks; dieses ein dem Geiste eigenthümliches Gut. Deshalb ist auch das eine durch sich selbst gegründet; das Glück aber unstät, und verwandelt sich oft gerade in das Gegentheil. Um es zu bewahren, bedarf man Gottes, des Verstandes, der Kunst, der Gelegenheit und vieler Werke, und allenthalben und zwar mannigfaltiger, die wir weder aus Erfahrung kennen, noch leicht kennen zu lernen vermögen; denn es wird nicht so ohne Mühe bewahrt, wie es den Menschen zu Theil wird. Du siehst ja, welche Lebensereignisse die Trauerspieldichter aufs Theater bringen; nicht die Unglücksscenen gemeiner und armer Leute, sondern mächtiger Herrscher und Tyrannen; denn die Größe des Unglücks faßt kein kleines Haus, noch die Schwere des Mißgeschickes der Bettlerstand. Wer sich aber im Glücke auszeichnet, der pflegt sich auch in Gefahren und im Unglücke herrlich zu beweisen. Allein oft ist auch die Tugend des Glückes Führerin, und das Lob geht der Glücklichpreisung voran, wie wenn das Glück sich schämte, offenbaren Tugenden S. 67 nicht Zeugniß zu geben. Soll ich dieses durch Beispiele bewähren, so laß uns sie nicht auswärts suchen! Stelle dir deinen Vater vor Augen und du wirst sehen, daß ihm die Herrschaft als Lohn der Tugend zu Theil geworden. Das Glück aber ist nicht der Tugend Urheberin. Doch haben schon manche auch das Glück tugendhafter Werke errungen. Möchtest du diesen angehören, ο König, damit die Philosophie nicht vergebens hier spreche! Möchte dir deshalb das Herrschen ehrwürdig seyn, weil es die Tugend übt und hervorführt, die eines ihrer eigenthümlichen Größe entsprechenden Stoffes bedarf, und nicht in einer Lage des Lebens Raum findet, die unter dem Königthume ist.
