29. Elias.
Ein Asket, Elias genannt, schätzte die Jungfrauen sehr; es gibt ja Seelen, die durch treue Beharrlichkeit bis an das Ende zeigen, daß ihre Tugend echt ist. Aus Mitleid mit all den weiblichen Wesen, die ein asketisches Leben erwählten, baute nun Elias in der Stadt Athribe,1 woselbst er Güter besaß, ein stattliches Kloster, sammelte darin alle, die keinen festen Wohnsitz hatten, und sorgte für sie. Was immer zu ruhigem Dasein dienlich ist, das bot er ihnen: Gärten und Handwerkzeug und andere Dinge, die man nötig hat zum Lebensunterhalt. Weil aber die Jungfrauen zuvor in ganz verschiedenen Verhältnissen lebten, lagen sie beständig miteinander in Streit. So blieb für Elias nichts anderes übrig, als den Schiedsrichter zu spielen. Etwa dreihundert waren es und zwei Jahre lang war er vollauf beschäftigt, Frieden zu stiften. Weil er noch jung war - dreißig bis vierzig Jahre - stiegen unreine Begierden auf in seiner Seele. Darum entwich er aus dem Kloster und irrte hungernd zwei Tage durch die Wüste, während er beständig flehte: "Herr! Entweder töte mich, damit ich ihre Drangsal nicht länger sehen muß, oder nimm die Leidenschaft von mir, damit ich ruhig und besonnen für sie sorgen kann!" Als es Abend wurde, schlief er ein in der Wüste. Da kamen, wie er selbst erzählte, drei Engel auf ihn zu, hielten ihn an und sagten: "Weshalb bist du fortgegangen aus dem S. 379 Frauenkloster?" Elias erzählte den Beweggrund und schloß: "Ich war in Angst, sie und mich zu verderben." Da sagten die Engel: "Angenommen, wir befreien dich von der Leidenschaft, bist du dann bereit, umzukehren und für die Jungfrauen auch weiterhin zu sorgen?" Dazu verstand er sich. Sie verlangten, er müsse das eidlich geloben. Dies war nach seinem Berichte der Wortlaut der Formel: "Schwöre!" sagten sie: "So wahr Gott für mich sorgt, will ich für jene sorgen." Nachdem er den Eid geleistet hatte, hielt ihm einer die Hände fest, der zweite die Füße; der dritte nahm ein scharfes Messer und schnitt ihm die Hoden aus, nicht in Wahrheit, sondern im Traum. Es schien ihm sodann im Gesichte - so darf man das Ganze wohl nennen - als heile die Wunde vollständig zu. Sie fragten ihn: "Fühlst du Besserung?" Er sprach: "Mir ist um vieles leichter und ich glaube fest, daß ich von der Leidenschaft erlöst bin." Da sagten sie: "Nun zieh' deines Weges!" Fünf Tage schon waren vergangen, seit er aus dem Kloster entwich, wo jetzt tiefe Trauer war. Er kam und blieb seitdem drinnen in einer abseits gelegenen Zelle und oblag somit aus nächster Nähe der Leitung jener Jungfrauen mit allem Eifer. Sein Leben währte noch vierzig Jahre. Den Vätern gab er die Versicherung: "Niemals regt sich die Leidenschaft in meiner Seele." Diese Gnade wurde jenem Heiligen zuteil, der so für jenes Kloster Sorge trug.
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Entweder Athribis im Nildelta oder (wahrscheinlicher) Atripe bei Panopolis. ↩