3.
Augustinus antwortete: Welch seltsame Verkehrtheit, Matthaeus die Glaubwürdigkeit abzusprechen, wenn er etwas über Christus berichtet, Mani dagegen sie zuzubilligen! Wenn aber Matthaeus deshalb nicht glaubwürdig sein soll, weil er nicht dabei war, als Christus die Worte aussprach (Mt. 5,19): Ich bin nicht gekommen, das Gesetz und die Propheten aufzuheben, sondern sie zu vollenden, war etwa Mani dabei, oder war er überhaupt schon geboren, als Christus unter den Menschen erschien? Gemäss eurem eigenen Glaubwürdigkeitskriterium hättet ihr also niemals glauben dürfen, was Mani über Christus bezeugt. Für uns dagegen ist Mani nicht deswegen unglaubwürdig, weil er bei den Worten und Taten Christi nicht dabei war, ja erst viel später geboren wurde, sondern weil seine Aussagen über Christus im Widerspruch stehen zu den Aussagen der Jünger Christi und des Evangeliums, das durch deren Autorität gesichert ist. Wir besitzen ja das Wort des Apostels, der, vom Heiligen Geist erfüllt, sah, dass Menschen seines Schlages kommen werden. Deshalb sagte er zu den Gläubigen (Gal. 1,9): Wenn euch jemand ein anderes Evangelium verkünden wird als das, welches ihr empfangen habt, sei er verflucht! Wenn nämlich nur der glaubwürdig über Christus berichten kann, der ihn persönlich gesehen und gehört hat, dann kann heute niemand mehr glaubwürdig über ihn berichten. Wenn dagegen auch das als glaubwürdige Botschaft anzusehen ist, was heute den Gläubigen über Christus berichtet wird, weil es nämlich damals von Menschen, die ihn sahen und hörten, in ihrer Verkündigung und in ihren Schriften verbreitet wurde, warum sollte es dann unmöglich sein, dass Matthaeus aus dem Mund des Johannes, mit dem zusammen er Jünger Christi war, glaubwürdige Dinge über Christus vernommen hat, bei denen jener dabei war, er selber aber nicht, wo doch noch wir, so viel später Geborene, und sogar unsere Nachfahren, aufgrund des Johannes-Textes glaubwürdig über Christus erzählen können? Und auf gleiche Weise wie das Evangelium des Matthaeus, hat auch jenes des Lukas und des Markus, welche denselben Jüngern nachgefolgt sind, eine nicht weniger zuverlässige Beglaubigung erhalten. Als weiteres kommt hinzu, dass vielleicht auch der Herr selber Matthaeus erzählt hat, was er vor dessen Berufung mit den früher berufenen Jüngern erlebt hatte. Aber, so meint ihr (cf. 483,9), vorausgesetzt, dass Johannes diesen Ausspruch des Herrn (Mt. 5,17) gehört hat, hätte er dies doch in seinem Evangelium erwähnen müssen, da er ja, als angeblich das Wort fiel, zugegen war. Als ob es undenkbar wäre, dass er, weil er ja nicht alles, was er vom Herrn gehört hatte, aufschreiben konnte, neben anderem, was er unbeachtet liess, eben auch dieses Wort unbeachtet liess, da ihm vielleicht anderes bei der Niederschrift wichtiger erschien. Sagte er nicht am Schluss seines Evangeliums selber (Joh. 21,25): Es gibt noch vieles andere, was Jesus getan hat; wenn man das alles aufschreiben wollte, so könnte, wie ich glaube, die ganze Welt die Bücher nicht fassen, die man schreiben müsste.? Hier hat er jedenfalls gezeigt, dass er vieles wissentlich ausgelassen hat. Wenn ihr aber inbezug auf Gesetz und Propheten so hohen Wert legt auf die Autorität des Johannes, dann glaubt ihm auch, wenn er für Gesetz und Propheten Zeugnis ablegt! Er war es, der schrieb (cf. Joh. 12,41), dass Jesaias die Herrlichkeit Christi gesehen habe. In seinem Evangelium findet ihr das Wort, mit dem wir uns kurz vorher schon beschäftigt haben (Joh. 5,46; cf. 444,11 [16,6]; 449,26 [16,11]; 466,2 [16,22]; 476,16 [16,29]): Wenn ihr dem Moses glaubtet, würdet ihr auch mir glauben; er schrieb nämlich von mir. Ihr könnt euch drehen und wenden wie ihr wollt, ihr seid geschlagen! Erklärt doch offen, dass ihr nicht an das Evangelium Christi glaubt! Wenn ihr nämlich im Evangelium das glaubt, was euch gefällt, das nicht glaubt, was euch missfällt, glaubt ihr eher an euch selber als an das Evangelium!
