4.
Wie geschickt erst meinte Faustus zu argumentieren, als er weismachen wollte, es sei vor allem deshalb zweifelhaft, dass Matthaeus jenen Satz (Mt. 5,17) geschrieben habe, weil er, über seine eigene Erwählung sprechend, nicht gesagt habe: Er sah mich und sagte zu mir: Folge mir nach, sondern (Mt. 9,9; 483,17): Er sah Matthaeus und sagte zu ihm: Folge mir! Da frage ich, ob dieser Aussage des Faustus eher eine Fehleinschätzung aus Unwissenheit zugrunde liegt, oder aber sein Hang, die Menschen hinters Licht zu führen. Ich möchte ihn aber nicht für so unwissend halten, dass er weder gelesen noch gehört hätte, wie Geschichtsschreiber, wenn ihre eigene Person ins Spiel kommt, sich gewöhnlich so in den Handlungsverlauf einfügen, als ob sie von einer Drittperson, nicht von sich selber erzählten. Daher neige ich zu Ansicht, dass nicht er selber unwissend war, dass er vielmehr Unwissende einnebeln wollte, in der Hoffnung, so eine grössere Anzahl von Menschen, die sich da nicht auskannten, einfangen zu können. Zwar gibt es auch in der profanen Geschichtsschreibung Beispiele solcher Erzählweise; doch brauche ich gar keine andere Literaturgattung zu bemühen, um die Unsern zu belehren oder Faustus zu widerlegen. Er selber hat ja kurz vorher derartige Zeugnisse aus den Büchern des Moses zitiert (wo?), wobei er die Autorschaft des Moses nicht bestritt, sie vielmehr ausdrücklich bestätigte, allerdings den Bezug auf Christus leugnete. Sollen also die Manichäer in diesen Büchern nachlesen, ob Moses Aussagen über sich selbst so formulierte: Ich habe gesagt, oder: ich habe das oder jenes getan, und nicht vielmehr: Moses sagte (exod. 4,1), und: Moses tat das (exod. 7,6), ob er sagte: Es rief mich der Herr, oder: Der Herr sagte zu mir, und nicht vielmehr: Der Herr rief Moses (lev. 1,1), und: Der Herr sprach zu Moses (exod. 4,19), und so weiter. Genau so hat also auch Matthaeus über sich selber wie über eine Drittperson gesprochen (Mt. 9,9). Und das gleiche tat auch Johannes; denn gegen Ende seines Buches formuliert auch er so (Joh. 21,20): Petrus wandte sich um und sah den Jünger, welchen Jesus liebte, den gleichen Jünger, der sich beim Mahl an die Brust des Herrn gelehnt und zu ihm gesagt hatte: ‛Wer ist es, der dich verraten wird?’. Auch hier sagte er also nicht: Petrus wandte sich um und sah mich. Oder nehmen vielleicht die Manichäer deswegen an, dass auch er nicht der Verfasser dieses Evangeliums war? Doch kurz nachher sagt Johannes (ib. 21,24): Dieser Jünger ist es, der über Jesus Zeugnis abgibt, und der dies aufgeschrieben hat; und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist. Er sagte also nicht: Ich bin der Jünger, der über Jesus Zeugnis abgibt, und der dies aufgeschrieben hat; und wir wissen, dass mein Zeugnis wahr ist. Sicher wird damit klar, dass dies die gebräuchliche Ausdrucksweise der Schriftsteller war, wenn sie über solche Vorkommnisse berichteten. Wie vieles auch der Herr selber in dieser Stilform über sich selber erzählt, wer vermöchte das alles aufzuzählen! So sagt er (Lk. 18,8): Meinst du, dass der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde Glauben finden wird? Er sagte nicht: Meinst du, dass ich, wenn ich komme, … finden werde. Und er sagte (Mt. 11,19): Der Menschensohn ist gekommen, er isst und trinkt; er sagte nicht: Ich bin gekommen. Ebenso sagte er (Joh. 5,25): Die Stunde kommt, sie ist schon da, in der die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden; und alle, die sie hören, werden leben; er sagte nicht: Meine Stimme. Und so gäbe es noch viele Beispiele, doch glaube ich, dass die aufgezählten genügen sollten, ernsthaft Interessierte aufmerksam zu machen und böswillige Kritiker in die Schranken zu weisen.
