6.
Glaubt mir, ich komme in leidenschaftliche Erregung, der Schmerz macht mich wie toll: Christen schenken den Wundertaten des Martinus keinen Glauben, aber Dämonen anerkennen sie!
Das Kloster des Heiligen lag zwei Meilen von der Stadt1 . So oft Martinus den Fuß über die Schwelle seiner Zelle setzte, um zur Kirche zu gehen, bot sich ein merkwürdiges Schauspiel: in der ganzen Kirche stöhnten die Besessenen und zitterten wie Menschen, die den Richter kommen sehen und ihre Verurteilung befürchten müssen. Das Ächzen der Dämonen zeigte so den Klerikern das Eintreffen des Bischofs an, auch wenn sie von seiner Ankunft nichts wußten. Ich sah, wie beim Nahen des Martinus einer in die Luft gehoben wurde und mit ausgebreiteten Armen in der Höhe schwebte, so daß er den Boden mit seinen Füßen gar nicht berührte. Wenn Martinus es auf sich nahm, einen bösen Geist zu beschwören, berührte er keinen Besessenen mit der Hand und schalt keinen aus, wie es häufig Kleriker machen, die dabei eine ganze Flut von Redensarten ergießen; er nahm vielmehr die Besessenen beiseite, hieß die andern fortgehen, schloß die Türe, zog ein Bußgewand an, bestreute sich mit Asche, warf sich in der Mitte der Kirche auf den Boden nieder und betete. Da hätte man sehen können, wie sich bei den Bedauernswerten die Qualen verschiedentlich äußerten. Die einen wurden in die Luft gehoben, mit den Füßen nach oben, als ob sie aus einer Wolke herunterhingen, doch fielen dabei die Kleider nicht gegen das Angesicht herab, damit das Schamgefühl durch den Anblick des nackten Körpers nicht verletzt werde2 . Man konnte hören, wie andere, ohne gefragt zu sein, sich gequält fühlten S. 132und ihre Vergehen bekannten. Auch gaben sie ungefragt ihre Namen an, der eine bekannte sich als Jupiter, der andere als Merkur3 . Schließlich wurden alle Helfershelfer Satans samt ihrem Meister gepeinigt. Auf diese Weise ging schon an Martinus offenbar jenes Wort der Schrift in Erfüllung: „Die Heiligen werden Richter der Engel sein“4 .
