11. Cyprians Exil in Curubis.
Inmitten dieser guten und frommen Werke traf ihn plötzlich die Verbannung1. Denn das ist stets die Vergeltung, wie die Gottlosigkeit sie übt, daß sie Gutes mit Bösem erwidert. Was nun Gottes Priester auf die Fragen des Prokonsuls geantwortet hat, das erzählen die vorhandenen Akten2. Er wurde einstweilen aus der Stadt verwiesen, er, der doch so manches Gute zum Wohle der Stadt getan hatte, er, der sich abgemüht hatte, damit nicht die Augen der (in der Stadt) Lebenden die Schrecken der Hölle zu sehen bekämen, derselbe Mann, sage ich, der im Dienste der Barmherzigkeit Tag und Nacht gewacht und in seiner, ach, nur mit schnödem Undank belohnten Güte dafür Sorge getragen hatte, daß der verlassene Staat und die verödete Heimat die (freiwillige) Verbannung der vielen Menschen gar nicht fühlte, die alle vor dem gräßlichen Anblick der Stadt flüchteten. Doch mag der Welt die Verbannung als eine Strafe gelten: ihnen ist das Wort Heimat ein nur allzu teurer Name, und er bedeutet ihnen soviel wie die Eltern3. Wir hingegen wenden uns sogar von S. 21 den eigenen Eltern ab, wenn sie wider den Herrn raten. Für sie ist es eine schwere Strafe, außerhalb ihrer Stadt leben zu müssen: dem Christen ist diese ganze Welt ein einziges Haus, und wenn er auch an einen abgelegenen und weltentrückten Ort verbannt ist, mit seinem Gott und dem Göttlichen verbunden, kann er das nicht als Verbannung betrachten. Ja, weil er ganz und gar Gott dient, ist er sogar in der eigenen Vaterstadt ein Fremder. Denn indem er sich in der Enthaltsamkeit des Heiligen Geistes von fleischlichen Lüsten fernhält und den Wandel des alten Menschen ablegt4 , ist er ein Fremdling inmitten seiner Mitbürger oder, ich möchte fast sagen, sogar inmitten der Eltern, denen er sein irdisches Leben verdankt. Ja, selbst wenn die Verbannung unter anderen Umständen als Strafe erscheinen könnte, bei derartigen Prozessen und Verurteilungen, die wir zur Erprobung unserer Tugend erleiden, ist sie keine Strafe; denn sie ist ein Ruhm. Selbst wenn nun aber die Verbannung in unseren Augen keine Strafe ist, so muß das Zeugnis des eigenen Gewissens doch die des größten Verbrechens und des schlimmsten Frevels schuldig sprechen, die über Unschuldige etwas verhängen können, was nach ihrer Ansicht eine Strafe ist. Ich möchte jetzt nicht jenen entzückenden Ort schildern und ich übergehe einstweilen die mannigfachen Reize, die er bot. Stellen wir ihn uns vor als ein schmutzstarrendes Nest, schrecklich anzusehen, ohne gesundes Wasser5, ohne liebliches Grün, kein Meer in der Nähe, sondern wilde, waldbedeckte Felsen inmitten der unwirtlichen Schluchten einer gänzlich öden Wüstenei, in einen unwegsamen Erdenwinkel entrückt. Selbst wenn ein solcher Ort den Namen des Exils trüge, in das sich Gottes Priester Cyprian hatte begeben müssen, wären da nicht die Vögel, wie bei Helias6, oder S. 22 die Engel, wie bei Daniel7, ihm dienstbar gewesen, wenn es ihm an menschlicher Bedienung fehlte? Man glaube nur ja nicht, es könne irgendeinem, selbst dem Geringsten, an irgend etwas fehlen, vorausgesetzt, daß er dem Bekenntnis des (christlichen) Namens treu bleibt. Um so weniger hätte es ihm, dem Hohenpriester Gottes, der sich stets den Werken der Barmherzigkeit gewidmet hatte, an irgendwelcher Hilfe mangeln können.
Der stärkeren gegensätzlichen Wirkung zuliebe läßt hier Pontius die Verbannung Cyprians unmittelbar auf die Pest folgen, während in Wirklichkeit mindestens vier Jahre dazwischen liegen. ↩
Vgl. das 1. u. 2. Kapitel der prokonsularischen Akten. ↩
Harnack übersetzt: „Ihnen ist die Vaterstadt allzu teuer nach der sie sich auch samt ihren Vorfahren nennen“; S. 21 Reizenstein liest: 'et commune nomen est unicum', was wiederzugeben wäre: „Ihnen ist die Vaterstadt allzu teuer und eine einzige Verwandtschaft (ein einziges Haus).“ ↩
Vgl. Eph. 4, 22. ↩
'salubres aquae' vielleicht hier mit Dessau zu übersetzen: ohne „heilkräftige Quellen“. ↩
1 Kön. 17, 4. ↩
Dan. 6, 22. ↩
