2. Cyprians Bekehrung und ihr Einfluß auf sein Leben.
Wo soll ich also beginnen, wo mit der Schilderung seiner Vorzüge einsetzen, wenn nicht bei dem Anfang seines Glaubens und bei seiner himmlischen Geburt? Denn die Taten eines Gottesmenschen1 dürfen doch erst von dem Zeitpunkt ab gerechnet werden, wo er Gott geboren ist. Mag er auch zuvor Studien betrieben und sich voll Hingebung der Beschäftigung mit den edlen Wissenschaften gewidmet haben, so übergehe ich dennoch all das; denn es diente ihm höchstens zu weltlichen Zwecken. Erst von der Zeit ab, wo er die heiligen Schriften kennen lernte, wo die Wolken der Welt weichen mußten und er sich in das Licht der geistlichen Weisheit erhob, — erst von da ab will ich berichten, soweit ich Augenzeuge seines Lebens war und soweit ich von älteren Leuten etwas erfahren konnte. Um das eine aber muß ich bitten, daß man die Unzulänglichkeit meiner Worte — und sie müssen S. 10 unzulänglich bleiben — nicht seinem Ruhme, sondern vielmehr meiner Unwissenheit zur Last legt.—
Als er noch in den ersten Anfängen seines Glaubens stand, da war er überzeugt, nichts sei mehr Gottes würdig als die Beobachtung der Enthaltsamkeit. Denn nur dann könne Herz und Sinn fähig werden, die Wahrheit völlig zu erfassen, wenn man die Begehrlichkeit des Fleisches mit der gesunden und ungeschwächten Kraft der Heiligkeit niederzwinge. Wer hätte je von einem solchen Wunder gehört? Noch nicht hatte die zweite Geburt den neuen Menschen mit dem ganzen Glanze des göttlichen Lichtes erleuchtet und schon überwand er die alte, vormalige Finsternis lediglich durch den bloßen Schimmer dieses Lichtes. Bald darauf — und das ist noch ein größeres Wunder —, als er, obwohl noch ein Neuling, aus den göttlichen Schriften im Eifer seines Glaubens bereits einige Lehren kennen gelernt hatte, da machte er sich sofort etwas zu eigen, das, wie er fand, dazu dienen konnte, sich bei dem Herrn Verdienste zu erwerben. Er verkaufte sein Eigentum2 und verteilte fast den ganzen Erlös, um zahlreichen Bedürftigen den nötigen Unterhalt zu gewähren. So erwarb er sich zwei Verdienste zu gleicher Zeit: er entsagte nicht nur dem eitlen Streben dieser Welt, das am meisten Verderben stiftet, sondern er übte auch Barmherzigkeit, die Gott sogar den ihm dargebrachten Opfern vorgezogen hat3 und an der es selbst jener4 hat fehlen lassen, der sich rühmte, alle Gebote des Gesetzes beobachtet zu haben5. So gelangte er in dem eilfertigen Eifer seiner Frömmigkeit beinahe schon eher zur Vollkommenheit, als er den Weg zu ihr kennen lernte. Wer, sagt mir nur, von den Alten6 hat so etwas getan? Wer von den bejahrtesten, schon im Glauben stehenden Greisen, an deren Herz S. 11 und Ohr schon so manches Jahr die göttlichen Worte geschlagen, hätte eine derartige Leistung aufzuweisen, wie sie dieser im Glauben noch Unfertige, den man vielleicht noch gar nicht als Christen anerkannte und der doch alles Alter weit hinter sich ließ, mit seinen ruhmvollen und bewunderungswürdigen Werken vollbracht hat? Kein Mensch erntet gleich nach der Aussaat, kein Mensch keltert Trauben von ganz jungen Pflanzungen, kein Mensch sucht reife Früchte an Bäumchen, die eben erst eingesetzt sind. Bei ihm aber traf das alles in unglaublicher Weise zu: bei ihm kam, wenn man so sagen darf, denn es klingt ganz unglaublich, — bei ihm kam das Dreschen vor dem Säen, die Traube vor der Rebe, die Frucht vor der Wurzel.
