12. Ankündigung des bevorstehenden Martyriums durch eine Vision.
Laßt uns aber nunmehr mit Danksagung feststellen, was ich als zweite Möglichkeit hingestellt hatte: entsprechend der Gesinnung des großen Mannes sah auch Gott für ihn einen sonnigen und hübschen Ort vor, einen Aufenthalt, so ungestört, wie er ihn nur wünschen konnte, dazu alles, was schon im voraus denen als ihr Teil verheißen ist, die das Reich und die Gerechtigkeit Gottes suchen1. Und um ganz zu schweigen von dem häufigen Besuch der Brüder und von der Liebe der dortigen Bewohner selbst, die ihm alles bot, was ihm zu fehlen schien, so will ich doch seine wunderbare Heimsuchung durch Gott nicht übergehen, der seinen Priester in der Verbannung so fest seines künftigen Leidens versichern wollte, daß bei der vollen Gewißheit seines bevorstehenden Martyriums Curubis2 (an ihm) nicht mehr nur einen Verbannten, sondern schon einen sicheren Märtyrer besaß. Am ersten Tage unseres Aufenthalts an dem Verbannungsort (denn auch mich hatte er in seiner Liebe der Ehre gewürdigt, als freiwilliger Verbannter in seiner nächsten Umgebung zu bleiben, und ich wollte nur, ich hätte auch sein Leiden mit ihm teilen dürfen!) erzählte er: „Ich war noch nicht eingeschlummert, da erschien mir ein Jüngling von übermenschlicher Größe. Von ihm sah ich mich im Traume zum Prätorium geführt und vor den Stuhl des Prokonsuls gebracht, der gerade zu Gericht saß. Sobald er mich S. 23 erblickte, begann er sogleich einen Urteilsspruch auf eine Tafel zu schreiben, der mir unbekannt blieb; denn er hatte mir gar keine der üblichen Fragen vorgelegt. Der Jüngling hingegen, der hinter ihm stand, las in gespannter Erwartung jedes Wort, das er aufzeichnete. Und weil er es mir von seinem Platze aus nicht in Worten mitteilen konnte, so deutete er mir mit erklärenden Winken den Inhalt der Aufzeichnung auf der Tafel an. Indem er nämlich die Hand öffnete, so daß sie flach war wie eine Klinge, und damit einen Schwertstreich wie bei jeder Hinrichtung nachahmte, gab er mir so gut wie in klaren Worten zu verstehen, was er mir mitteilen wollte: ich sah, daß mir die Verurteilung zum Leiden bevorstand. Da bat ich sofort dringend um Gewährung eines Aufschubs von wenigstens einem Tage, um erst meine Angelegenheiten in gehörige Ordnung zu bringen. Und auf meine wiederholten Bitten machte der Richter wieder irgendeine Bemerkung auf der Tafel; ich konnte jedoch aus seinem freundlichen Gesichte schließen, daß er mein Gesuch berechtigt gefunden und sich hatte bewegen lassen. Aber auch der Jüngling, der mir eben schon meine Verurteilung zum Martyrium wenn nicht in Worten, so doch in Gebärden verraten hatte, beeilte sich, mir durch mehrmaliges heimliches Zunicken zu bedeuten, daß mir der erbetene Aufschub bis zum morgigen Tag bewilligt sei, indem er die Finger hintereinander einbog3. Obwohl das Urteil nicht verlesen worden war, erwachte ich doch voll Freude über den erhaltenen Aufschub in der fröhlichsten Stimmung aus meinem Traume; aus Angst jedoch um die unsichere Deutung zitterte ich derart, daß die Nachwirkung meiner Furcht mein noch frohlockendes Herz in die größte Aufregung versetzte.“
