16. Die Vorführung vor den Prokonsul und das Verhör.
Endlich brach der andere Tag an, dieser bezeichnete, dieser verheißene, dieser göttliche Tag. Ihn hätte auch ein Tyrann niemals mehr zu verschieben vermocht, selbst wenn er gewollt hätte: ein Freudentag für Cyprian in der Gewißheit des bevorstehenden Martyriums, ein Tag, strahlend im hellsten Sonnenschein, nachdem die Wolken im ganzen Umkreis der Welt verscheucht waren. Er verließ das Haus des Beamten, selbst ein Beamter Christi und Gottes, und sah sich alsbald von den Scharen einer bunten Menge auf allen Seiten umgeben. Das Heer derer aber, die ihm das Geleite gaben, war so gewaltig, wie wenn es mit bewaffneten Haufen in den Kampf ginge, um den Tod zu überwinden. Der Weg nun führte an der Rennbahn vorüber. Es traf sich wahrlich gut und man könnte fast eine Absicht dahinter vermuten, daß der Märtyrer an der Stätte ähnlicher Wettkämpfe vorüberkam, er, der nun seinen Kampf glücklich bestanden hatte und der Siegeskrone der Gerechtigkeit zueilte. Als er jedoch am Prätorium ankam und der Prokonsul noch nicht da war, wurde ihm ein besonderer Raum angewiesen. Während er hier eine Weile schweißtriefend infolge des weiten Weges dasaß — der Sitz war zufällig mit einem leinenen Tuch bedeckt, damit er auch in der Stunde des Leidens noch die Ehre eines Bischofs genieße1 —, da S. 29 bot ihm einer von den Unteroffizieren2, ein früherer Christ, seine Kleider an, da er meinte, dieser werde gerne seine feuchte Gewandung gegen eine trockene umtauschen. Natürlich war es ihm bei seinem Anerbieten um nichts anderes zu tun als um den Besitz des bereits blutigen Schweißes eines Märtyrers, der auf dem Wege zu Gott war. Aber Cyprian antwortete ihm und sagte: „Sollen wir Abhilfe schaffen für Unannehmlichkeiten, die vielleicht mit dem heutigen Tag zu Ende sind?“3 Ist es ein Wunder, wenn er so die körperlichen Beschwerden verachtete, er, der schon den Tod in seinem Geiste verachtet hatte? Kurzum, plötzlich wurde Cyprian dem Prokonsul gemeldet. Er wird hereingeführt, wird vor ihn gebracht und nach seinem Namen gefragt. Er sei es, lautet seine Antwort; weiter spricht er kein Wort4.
Daß der Bischofsstuhl mit einem leinenen Tuch bedeckt wurde, ist auch bei anderen kirchlichen Schriftstellern überliefert. ↩
'tesserarius', ein Unteroffizier, der die ausgegebene Parole (tessera) einzuholen und an die Truppen weiterzugeben hat. ↩
Oder: „Linderungsmittel wenden wir nur bei Beschwerden an, wie ich sie heute wohl nicht haben werde.“ ↩
Corssen faßt die Worte: 'Et hactenus verba' in dem Sinne „Und jetzt kam die Tat.“ ↩
