8.
A. Vorderhand also sind wir zwei, ich der Fragende und du der Antwortende, nach unserem beiderseitigen Urteile Sünder.
S. 347 C. Aber wir können es auch nicht sein, wenn wir wollen.
A. Wie ich gesagt habe, strebe ich darnach, nicht zu sündigen, und du verfolgst zweifellos dasselbe Ziel. Warum nun bringen wir beide nicht fertig, was wir beide wollen?
C. Weil wir es nicht ganz wollen.
A. So zeige mir, welche von unseren Vorfahren es ganz gewollt und wirklich fertig gebracht haben!
C. Ein solcher Nachweis ist nicht leicht zu führen. Denn wenn ich sage, der Mensch könne ohne Sünde sein, wenn er wolle, dann behaupte ich damit noch nicht, daß es solche Menschen gegeben hat, sondern nur, daß der Mensch, wenn er will, es fertig bringen kann. Es ist nämlich ein Unterschied zwischen „sein können“, was die Griechen τῇ δυνάμει [tē dynamei] (der Möglichkeit nach) nennen, und zwischen „sein“, was sie mit τῇ ἐνεργείᾳ [tē energeia] (der Wirklichkeit nach) bezeichnen. Ich könnte Arzt sein, aber vorläufig bin ich es noch nicht; ich könnte Handwerker sein, aber ich habe es noch nicht gelernt. Was ich also sein kann, das werde ich, wenn ich es auch noch nicht bin, doch werden, sobald ich will.
