Zweiter Artikel. Man darf das Gelübde machen, in einen Orden einzutreten.
a) Das scheint nicht erlaubt zu sein. Denn: I. Vor der Profeß ist ein Probejahr bewilligt, ehe die Gelübde abgelegt werden (nach der Regel des heiligen Benedikt und nach cap. Nullus Innoc. III.) Also noch weit weniger darf man, noch in der Welt lebend, ein Gelübde machen, in den Orden einzutreten. II. „Die Juden sollen nicht mit Gewalt gezwungen werden, sondern frei sein, sich zu bekehren oder nicht;“ sagt Gregor. (Reg. lib. 11. ep. 15.)Um so weniger ist es erlaubt, sich durch ein Gelübde den Zwang aufzuerlegen, daß man in einen Orden treten müsse. III. Man muß niemandem Gelegenheit geben zu seinem Verderben. Denn Exod. 21. heißt es: „Wer einen Brunnen geöffnet hat und ein Ochs ist hineingefallen oder ein Esel, der soll den Preis dieser Tiere bezahlen.“ Daß aber manche durch Gelübde verpflichtet werden, in einen Orden zu treten, ist oft Gelegenheit zu Verzweiflung und anderen Sünden. Auf der anderen Seite sagt zu Ps. 75.: „Gelobet und erfüllet euere dem Herrn geleisteten Gelübde,“ die Glosse: „Manche Gelübde sind auf einzelne Personen als solche berechnet, wie die Keuschheit, Jungfräulichkeit u. dgl.“ Zu diesen Gelübden also ladet die heilige Schrift ein. Nur aber zu dem, was besser ist, ladet die heilige Schrift ein. Also etwas Besseres ist es, daß jemand sich durch ein Gelübde verpflichtet, in den Ordensstand zu treten.
b) Ich antworte, das nämliche Werk, welches infolge eines Gelübdes geschieht, sei lobenswerter und verdienstvoller wie dieses selbe Werk, wenn es nicht auf Grund eines Gelübdes geschieht. (Vgl. Kap. 88, Art. 6.) Denn das Geloben selber ist ein Akt der Tugend der Religion und durch das Gelübde wird der Wille gefestigt im Guten; und wie eine Sünde schwerer ist, wenn sie aus hartnäckig verhärtetem Willen herrührt, so ist ein Tugendakt verdienstvoller, wenn er von einem im Guten gefestigten Willen ausgeht. Also ist das Gelübde, in einen Orden zu treten, an sich lobenswert.
c) I. Dem feierlichen Gelübde bei der Profeß muß ein Probejahr vorausgehen. Davon unterschieden ist das einfache Gelübde, wodurch einer nicht Ordensmann wird, sondern nur sich verpflichtet zum Eintritte in den Orden; und da geht kein Probejahr vorher. II. Gregor versteht hier äußeren Zwang. Der Zwang oder die Notwendigkeit dagegen, die aus einem Gelübde folgt, ist eine solche, die vom gewollten Zwecke bedingt wird; weil jemand, nachdem er ein Gelübde abgelegt, nun nicht mehr selig werden kann, ohne es zu erfüllen. Eine solche Notwendigkeit aber ist „eine glückselige, die zu Besserem antreibt.“(Aug. ep. 127.) III. Den Eintritt in den Orden geloben ist eine Festigung des Willens in der Richtung zu Besserem hin. Also ist dies an sich keine Gelegenheit zum Verderben, sondern entzieht diese Gelegenheit. Wenn aber der Übertreter eines Gelübdes schwerer fällt, das nimmt der Güte des Gelübdes nichts; wie das nichts der Güte schadet, welche der Taufe innewohnt, wenn jemand nach der Taufe schwerer sündigt.
