Vierter Artikel. Wer gelobt hat, in einen Orden zu treten, ist damit nicht bereits gehalten, nun für immer darin zu bleiben.
a) Für das Gegenteil spricht: I. 2. Petr. 2. heißt es: „Besser wäre es für ihn gewesen, die Wahrheit nicht zu erkennen als nach der erkannten Wahrheit wieder zurücktreten;“ und Luk. 9.: „Niemand, der die Hand an den Pflug gelegt und zurückschaut, ist geeignet für das Reich Gottes.“ Das Gleiche gilt offenbar mit Rücksicht auf den Eintritt in den Orden. Wer also gelobt hat einzutreten, der muß auch darin bleiben. II. Wer nachdem er in ein Kloster getreten wieder austritt und in die Welt zurückkehrt, giebt böses Beispiel und Ärgernis, denn er zieht die anderen vom Eintritte ab. Das aber soll man vermeiden. III. Das Gelübde, in einen Orden einzutreten, wird als ein Gelübde für das ganze Leben betrachtet und deshalb den für eine gewisse Zeit nur gemachten Gelübden vorgezogen. Also ist damit verbunden, daß der betreffende im Ordensstande verbleibt. Auf der anderen Seite setzt das feierliche Gelübde, damit jemand sich für immer dem Ordensstande verpflichte, ein Probejahr voraus, was beim einfachen Gelübde, womit jemand das Eintreten in einen Orden gelobt, nicht der Fall ist.
b) Ich antworte, die Verpflichtung des Gelübdes hänge vom Willen des gelobenden ab, als er das Gelübde machte. Denn „Geloben ist Sache des Willens,“ sagt Augustin zu Ps. 75. Wenn also der gelobende beabsichtigt hat, nicht allein in einen Orden einzutreten, sondern auch beständig darin zu verbleiben, so ist dieser von seiner Seite aus verpflichtet, darin zu verbleiben. Wollte er aber nur zu einem Versuche sich verpflichten mit der Freiheit, gegebenen Falles wieder auszutreten, so ist er offenbar nicht gehalten zu bleiben. Hat er aber schlechthin das betreffende Gelübde gemacht, ohne daran zu denken, ob er bleiben wolle oder nicht, so ist er an das gemeinsame Recht gebunden, welches ein Probejahr zugesteht.
c) I. Es ist besser, einen Versuch mit dem Ordensleben zu machen wie gar nicht einzutreten; denn dadurch wird der Sinn des Menschen vorbereitet, um zu bleiben. Das ist aber kein „Zurückblicken“ oder „Zurückkehren“, wenn einer wieder austritt, nachdem er sich in nichts verpflichtet hat, zu bleiben. Sonst würde keiner für eine gewisse Zeit ein gutes Werk anfangen können; er müßte denn immer fortfahren, es zu thun. II. Wer, zumal aus einer vernünftigen Ursache, wie Krankheit, Schwäche oder dgl., wieder aus dem Orden austritt, giebt weder Ärgernis noch böses Beispiel. Entsteht ein Ärgernis von seiten eines anderen, so ist dies ein genommenes, ein scandalum passivum, und nicht ein gegebenes, ein scandalum activum. III. Wer nur eintreten wollte, um sogleich wieder auszutreten, der scheint seinem Gelübde nicht genügt zu haben; denn dies hat er in seinem Gelübde nicht beabsichtigt. Er ist also mindestens gehalten, einen ernsten Versuch mit dem Ordensleben zu machen; nicht aber, für immer zu bleiben.
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