Fünfter Artikel. Über die Aufnahme von Kindern in einen Orden.
a) Kinder dürfen nicht in einen Orden aufgenommen werden. Denn: I. Extra de Regular. cap. 1. heißt es: „Es sollen keinem die Haare geschoren werden, der nicht das gesetzmäßige Alter und den freien Willen dafür hat;“ was Beides bei Kindern nicht der Fall ist. II. Der Ordensstand ist ein Bußstand. Kinder aber sind zu keiner Buße verpflichtet. III. Wie durch das Gelübde, so wird einer durch den Eid gebunden. Kinder aber unter vierzehn Jahren dürfen keinen Eid leisten, (Decret. 22 Qq. 5. cap. Pueri.) Also dürfen sie auch kein Gelübde machen. IV. Zudem können unmündige erlaubterweise von den Eltern oder Vormündern aus dem Orden weggenommen werden, nach Deecret. 20 Qq. 2. cap. 2.: „Wenn ein Mädchen unter zwölf Jahren freiwillig den heiligen Schleier genommen hat, können die Eltern oder Vormünder, wenn sie wollen, dies für ungültig erklären.“ Also dürfen sich Kinder unter vierzehn resp. zwölf Jahren durch kein Gelübde verpflichten. Auf der anderen Seite sagt Origenes zu Matth. 19, 14.: Lasset die Kindlein… (tract. 7.): „Ehe die Jünger Christi das Wesen der Gerechtigkeit kennen gelernt haben, tadeln sie jene, welche Knaben und Kinder Christo aufopfern. Der Herr aber ermahnt die Jünger, sie sollen dem Nutzen der Kinder sich anbequemen. Darauf also müssen wir achten, daß wir nicht in der Meinung, die Weisheit stehe zu hoch, um mit Kindern sich zu befassen, uns groß dünkend die kleinen der Kirche verachten und den Kindern verbieten, zu Jesu zu gehen.“
b) Ich antworte, das einfache Gelübde, das da im bloßen, Gott gegebenen Versprechen besteht, habe seine Verpflichtung kraft des göttlichen Rechts. Diese Verpflichtung nun verliert 1. ihre wirksame Kraft infolge Mangels an Überlegung, wie z. B. bei den rasenden. Und dasselbe findet statt bei den Kindern, die noch nicht den freien, gebührenden Gebrauch ihrer Vernunft haben, der für gewöhnlich für Knaben um das vierzehnte, für Mädchen um das zwölfte Jahr eintritt. Sodann wird 2. die Verpflichtung eines gemachten Gelübdes gehindert, wenn der gelobende nicht die Verfügung über seine Person hat, wie wenn ein Sklave ohne den Willen seines Herrn das Gelübde macht, in einen Orden zu treten; der Herr kann dies rückgängig machen, nach Decret. dist. 54, cap. Si servus. Weil nun solche unmündige Kinder unter der Gewalt des Vaters stehen, so kann der Vater oder Vormund deren Gelübde rückgängig machen, wenn es ihm gefällt; wie Num. 30 dies von der Ehefrau gesagt wird. Macht also ein Kind vor dem freien vollen Gebrauche seiner Vernunft ein einfaches Gelübde, so ist damit keinerlei Verpflichtung verbunden. Hat es jedoch vor seiner Mündigkeit den vollen freien Gebrauch der Vernunft, so ist das Gelübde verpflichtend; aber der Vater kann es rückgängig machen, so daß das Gelübde nicht mehr verpflichtet, weil das Kind in seiner Gewalt steht; die Bestimmung des Gesetzes richtet sich nämlich auf das, was für gewöhnlich, in den meisten Fällen zutrifft. Ist dagegen das Kind mündig und hat noch nicht den vollen Gebrauch der Vernunft, so kann der Vater ein solches Gelübde nicht mehr rückgängig machen; aber es hat keine Verpflichtung vor Gott. Das feierliche Gelübde nun, wodurch jemand dem Ordensstande zugehörig wird, untersteht der Bestimmung der Kirche. Und weil die Kirche das, was für gewöhnlich zutrifft, in Betracht zieht, so darf niemand vor den Jahren der Mündigkeit, so sehr er auch den vollen Gebrauch seiner Vernunft hätte, zur feierlichen Gelübdeablegung zugelassen werden. Jedoch können mit dem Willen der Eltern Kinder ins Kloster aufgenommen werden, damit man sie dort erziehe; wie von Johannes (Luk. 1, 80.) gelesen ward, daß „der Knabe heranwuchs und im Geiste stark wurde und in der Wüste war.“ So haben dem heiligen Benedikt hochstehende Eltern zu Rom ihre Kinder übergeben, damit sie bei ihm für den allmächtigen Gott erzogen würden; erzählt Gregor. (2. dial. 3.) Und Thren. 3. heißt es: „Gut ist es für den Menschen, daß er das Joch trägt von seiner Jugend an.“ Danach werden schon die Kinder in den Künsten und Aufgaben geübt, die später ihren Lebensberuf bilden sollen.
c) I. Hier wird vom feierlichen Gelübde gesprochen; nicht von der Aufnahme in ein Kloster, um da erzogen zu werden. II. Der Ordensstand hat die Vollkommenheit zum Zwecke; und danach kommt er den Kindern zu, die leicht zu etwas anzuleiten sind. Er ist dann insoweit Bußstand, insoweit durch die Beobachtung der Regeln die Gelegenheiten zur Sünde abgeschnitten werden. III. Die Kinder werden weder zum Eide noch zu einem Gelübde angehalten. Machen sie aber ein Gelübde und haben sie den vollen Gebrauch ihrer Vernunft, so sind sie vor Gott verpflichtet; nicht aber vor der Kirche, ehe sie mündig, d. h. vierzehn Jahre alt sind. IV. Num. 30. wird die Frau nicht getadelt, die im Kindesalter ohne die Beistimmung ihrer Eltern etwas gelobt hat; jedoch können die Eltern das Gelübde rückgängig machen. Ein solches Kind sündigt also nicht, wenn es etwas gelobt; aber es ist an sich betrachtet keine Verpflichtung mit dem Gelübde verbunden, wenn die Eltern nicht zustimmen.
