Zehnter Artikel. Um in den Ordensstand einzutreten, muß man nicht viele Personen und lange Zeit um Rat fragen.
a) Es ist dies lobenswert, viele Personen und lange Zeit um Rat zu fragen, ehe man in einen Orden tritt. Denn: I. 1. Joh. 4. heißt es: „Prüfet die Geister, ob sie aus Gott sind.“ Manchmal ist es kein guter Geist, der den Eintritt in einen Orden eingiebt; weshalb ja so manche wieder austreten, nach Act. 5.: „Wenn diese Sache von Gott kommt, so könnt ihr sie nicht zerstören.“ II. Prov. 25. heißt es: „Traue deine Sache einem Freunde an;“ also besonders ist um Rat zu fragen, wenn es sich um die Änderung im Stande handelt. III. Luk. 14. spricht der Herr von einem Menschen, „der einen Turm erbauen will und nicht das nötige Geld hat, um ihn zu vollenden.“ Dieses Geld nun, um den Turm der Vollkommenheit zu bauen, ist nach Augustin (ep. 243. ad Lactum) nichts Anderes, wie „daß jemand Allem entsagt, was er hat.“ Bisweilen aber können dies manche nicht und können andere Personen wieder Ordensregeln nicht tragen, wie David (1. Kön. 17.) nicht einherschreiten konnte in der Waffenrüstung Sauls. Also bedarf es langen Beratens mit vielen Freunden, ehe man in den Ordensstand tritt. Auf der anderen Seite „sind Andreas und Petrus sogleich dem Herrn gefolgt und haben ihre Netze verlassen“ (Matth. 4.); wozu Chrysostomus (24. in Matth.) bemerkt: „Solchen Gehorsam verlangt Christus von uns, daß wir keinen Augenblick Bedenken tragen, Ihm zu folgen.“ .
b) Ich antworte, in großen Zweifeln bedürfe man langer Beratung mit vielen Zweifeln. In zuverlässig gewissen Dingen bedarf es keiner Beratung. (3 Ethic. 3.) Nun kann rücksichtlich des Eintritts in den Ordensstand dreierlei berücksichtigt werden: 1. Der Eintritt selber; da liegt an und für sich ein besseres Gut vor, und wer daran zweifelt, der fehlt gegen Christum selber, welcher diesen Rat gegeben. Deshalb sagt Augustin (de verb. Dom. serm. 7. c. 2.): „Die aufgehende Sonne, d. i. Christus, ruft dich und du willst auf den Untergang achten d. i. auf einen sterblichen, des Irrtums fähigen Menschen!“ 2. Der Eintritt mit Rücksicht auf die Kräfte des eintretenden; da aber vertrauen die eintretenden nicht auf ihre Kräfte, sondern auf den Beistand Gottes, nach Is. 40.: „Die auf den Herrn hoffen, wechseln ihre Stärke, sie werden Flügel annehmen wie die Adler; fliegen werden sie und nicht schwach werden.“ Besteht jedoch nach dieser Seite hin ein besonderes Hindernis, wie körperliche Schwäche, Schuldenlast etc.; darüber muß man Rats pflegen mit verständigen Personen, die nicht gegen den Eintritt sind und selben hindern wollen, nach Ekkli. 37, 12. Ein langes Beraten ist jedoch auch da nicht nötig; wie Hieronymus sagt (ad Paulinum): „Eile, ich bitte dich, haue vielmehr das Seil durch, welches das Schifflein am Ufer festhält, anstatt es zu lösen.“ 3. Der bestimmte Orden, in den man eintreten will und die Art und Weise des Eintretens; darüber kann man ebenfalls Rats pflegen mit denen, die nicht hindern wollen.
c) I. Es kann Zweifel sein, ob derjenige, der sich meldet, von Gottes Geist getrieben, kommt, in jenen, die im Orden ihn aufnehmen sollen. Sie also müssen den sich vorstellenden prüfen. Jener aber, der hinzutritt, kann nicht zweifelhaft sein, daß der Vorsatz, in den Orden einzutreten, von Gott gekommen sei; denn Gottes Sache ist es, „den Menschen in das Land der Tugenden, in das gerade Land, zu führen.“ Daß einige wieder austreten, beweist nichts dawider, denn nicht Alles, was von Gott kommt, ist unvergänglich: man kann die heiligmachende Gnade selber verlieren. Der Ratschluß aber Gottes ist unveränderlich, wonach Er Vergängliches und Unvergängliches macht, nach Isai. 46.: „Mein Ratschluß wird stehen und all mein Wille wird geschehen.“ Der Vorsatz also selber, in den Orden einzutreten, bedarf keines Beratens, ob er von Gott sei; „was gewiß ist, wird nicht beraten,“ sagt die Glosse zu 1. Thess. ult. (Omnia probate.) II. „Das Fleisch begehrt gegen den Geist.“ (Gal. 5.) Und so sind fleischlich gesinnte Freunde oft gegen den Fortschritt im Geiste, nach Mich. 7.: „Die Feinde des Menschen sind seine Familienangehörigen.“ Deshalb bemerktzu Luk. 9, 16. Permitte me renuntiare) Cyrillus: „Fragen, ob er entsagen solle denen, die zu Hause sind, dies zeigt, daß er im Herzen irgendwie geteilt ist. Denn mit seinen Mitmenschen Gemeinschaft pflegen, die da nicht raten wollen zu thun und zu lieben das was billig ist, zeigt einen noch schwankenden und rückwärts schauenden Geist an. Darum hört er vom Herrn die Worte: Niemand, der seine Hand an den Pflug gelegt hat und rückwärts schaut, ist geeignet für das Reich Gottes. Es blickt rückwärts, der da Aufschub nachsucht, damit er nach Hause zurückkehre und mit den verwandten sich benehme.“ III. Der Turm ist die christliche Vollkommenheit; das Geld, um zu bauen, ist der Verzicht auf alles Eigentum. Niemand nun hegt Zweifel daran, ob er das nötige Geld haben wolle oder ob er bauen könne, wenn er es hat. Vielmehr richtet sich der Zweifel darauf, ob jemand das notwendige Geld besitze. Nun ebenso wird daran nicht gezweifelt und ist das kein Gegenstand der Überlegung, ob jemand verzichten muß auf Alles, was er hat oder ob, wenn er dies thut, er zur Vollkommenheit gelangen könne. Vielmehr ist dies Gegenstand, ob das, was er thut, thatsächlich sei: das Verzichten auf Alles was er hat. Denn „wenn er nicht verzichtet auf Alles was er hat, kann er nicht Christi Schüler sein,“ wie gleich folgt; und dieses: „Christi Schüler sein“ ist eben: „das Bauen des Turmes.“ Die Furcht aber derjenigen, die zweifeln, ob durch den Eintritt in den Ordensstand sie zur Vollkommenheit gelangen können, ist unvernünftig schon wegen des Beispieles von so vielen. Deshalb sagt Augustin (8. Conf. cap. 11.): „Es öffnete sich da von jener Seite her, nach welcher ich schaute und wohin zu gehen ich Angst hatte, die heilige Keuschheit der Enthaltsamkeit; schmeichelnd lud sie ein, ich möchte kommen und nicht zweifeln; sie streckte die Arme gegen mich aus und hielt offen hin ihre Hände vor mich, die da voll waren von Herden guter Beispiele. Da waren so viele Jünglinge und Jungfrauen, Knaben und Mädchen, jedes Alter, gewichtige Witwen, greise Jungfrauen. Und sie lächelte mich an als wollte sie spotten: Wirst du nicht können, was jene konnten? Oder konnten es diese aus ihren eigenen Kräften etwa und nicht kraft der Gnade ihres Gottes? Was bleibst du bei dir selbst stehen, willst und willst nicht? Wirf dich in deinen Gott; fürchte nicht; Er entzieht sich nicht; du wirst nicht fallen; werfe dich in Ihn hinein, sei sicher, Ernimmt dich auf und rettet dich.“ Das Beispiel Davids paßt nicht hierher. Denn Sauls Waffen sind die Sakramente des Alten Bundes, die eine Last waren; wogegen das Joch Christi sanft ist, „Oder welche Last kann er denn unserem Nacken auflegen,“ so Gregor (4. moral. 30.); „Er, der da vorschreibt, wir sollen bereits alle Wünsche vermeiden, die verwirren; der da ermahnt, der mühevollen Wege der Welt uns zu enthalten.“ Denen aber, welche dieses sanfte Joch auf sich nehmen, verspricht der Herr die Erquickung des göttlichen Gnusses, die ewige Ruhe unserer Seelen. Zu ihr führe uns, wie er selbst verheißen, Jesus Christus, der da ist über Alles Gott, gepriesen in Ewigkeit. Amen.
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