Von den Pflichten einer jeden Amtsschwester
Aufgabe der Mutter Priorin ist es, mit großer Sorgfalt darüber zu wachen, daß die Regel und die Satzungen in allem beobachtet, die Ehrbarkeit und die Klausur des Hauses mit großem Eifer gewahrt werden, achtzuhaben, wie alle ihre Ämter erfüllen, und endlich mit der Liebe einer Mutter für die geistlichen und zeitlichen Bedürfnisse der Schwestern Sorge zu tragen. Sie bemühe sich, die Liebe ihrer Untergebenen zu erwerben, damit diese ihr (um so lieber) gehorchen!
Die Priorin stelle eine Pförtnerin und eine Sakristanin auf und wähle hierzu verlässige Personen! Diese kann sie jedoch nach Gutbefinden von ihren Ämtern wieder entfernen; denn es soll den Schwestern keine Gelegenheit gegeben sein, an irgendeinem Amte mit (ungeordneter Neigung) zu hängen. In gleicher Weise besetze die Priorin auch alle übrigen Ämter mit Ausnahme des Amtes der Subpriorin und des Amtes der Klavarinnen, die durch geheime Abstimmung gewählt werden! Letztere, wenigstens ihrer zwei, müssen schreiben und rechnen können.
Das Amt der Mutter Subpriorin besteht darin, für den Chor Sorge zu tragen, damit das Beten und Singen ordnungsgemäß (und) mit Pause geschehe, worauf sehr zu achten ist. An Abwesenheit der Priorin führe die Subpriorin den Vorsitz! Sie sei immer bei der Kommunität gegenwärtig und korrigiere im Chor und im Speisesaal, wenn die Priorin nicht anwesend ist, die Fehler, die dort begangen werden!
Die Klavarinnen haben alle Monate im Beisein der Priorin von der Einnehmerin Rechenschaft zu fordern, und die Priorin hat in wichtigen Sachen deren Gutachten einzuholen. Zur Aufbewahrung der Schriften des Konventes und des ihm etwa anvertrauten Gutes sei ein mit drei Schlüsseln versperrbarer Kasten vorhanden! Einen dieser Schlüssel behalte die Priorin, die beiden anderen aber werden von den zwei älteren Klavarinnen bewahrt!
Aufgabe der Sakristanin ist es, für sämtliche zur Kirche gehörigen Gegenstände sowie dafür Sorge zu tragen, daß daselbst dem Herrn mit großer Ehrerbietung und Reinlichkeit gedient werde. Auch dafür hat sie zu sorgen, daß die Beichten der Schwestern in geordneter Reihenfolge stattfinden. Keine Schwester aber lasse sie, bei Vermeidung der schweren Schuld, ohne Erlaubnis zum Beichtstuhl treten außer nur, um dem bestimmten Beichtvater zu beichten!
Das Amt der Einnehmerin und ersten Pförtnerin, das ganz in einer Person vereinigt sei, besteht in der Besorgung alles dessen, was für das Haus einzukaufen ist, vorausgesetzt, daß der Herr vorher die Mittel dazu gibt. An der Winde spreche sie nur mit leiser Stimme und in erbaulicher Weise! Sie berücksichtige mit Liebe die Bedürfnisse der Schwestern und besorge die Auszeichnung der Einnahmen und Ausgaben! Wenn sie etwas kauft, so streite und feilsche sie nicht! Nachdem sie zweimal gesprochen, nehme sie die Sache oder lasse sie! Ohne Erlaubnis der Priorin lasse sie keine Schwester an die Winde kommen, und soll eine zum Sprechgitter gehen, so rufe sie sogleich auch die Begleiterin herbei! Über das, was an der Winde vorkommt, teile sie niemanden etwas mit außer der Priorin! Sie händige den Schwestern keine Briefe aus, sondern gebe sie der Oberin, damit diese sie zuerst lese! Ebenso überbringe sie ohne Erlaubnis der Oberin keiner Schwester eine Botschaft, noch gebe sie eine solche hinaus bei Vermeidung der Strafe der schweren Schuld!
Die Zelatorinnen haben die Pflicht, auf die vorkommenden Fehler zu merken, um sie, wie schon erwähnt, der Oberin anzuzeigen. Es ist dies ein wichtiges Amt.
Die Novizenmeisterin sei eine Person von großer Klugheit, dem Gebete sehr ergeben und im geistlichen Leben wohlerfahren! Sie trage Sorge, den Novizinnen die Satzungen vorzulesen und sie in allem zu unterrichten, was sie sowohl in betreff der Zeremonien als auch der Abtötungen zu üben haben! Mehr Sorgfalt als auf das Äußere verwende sie jedoch auf das Innere! Darum lasse sie sich von den Novizinnen täglich Rechenschaft ablegen über ihren Fortschritt im Gebete, über ihr Verhalten bei der Betrachtung des vorgestellten Geheimnisses sowie über den Nutzen, den sie daraus gezogen! Sie unterweise sie in dieser Übung und belehre sie, wie sie sich zur Zeit der Tröstungen und der Trockenheiten zu verhalten haben, sowie auch darüber, wie sie selbst in geringfügigen Dingen beständig ihren eigenen Willen brechen müssen! Die Schwester, der dieses Amt anvertraut ist, habe acht, daß sie in keinem Stücke nachlässig sei! Denn es handelt sich darum, Seelen zu erziehen, die dem Herrn zur Wohnung dienen sollen. Sie behandle die Novizinnen mit Zärtlichkeit und Liebe und verwundere sich nicht über ihre Fehler! Denn nur allmählich werden sie voranschreiten. Eine jede töte sie nach Verhältnis der geistigen Kraft ab, die sie an ihr wahrnimmt, und lege mehr Gewicht auf vollkommenen Erwerb der Tugenden als auf äußere Bußstrenge! Die Priorin ordne an, daß die Novizenmeisterin in Erteilung des Leseunterrichtes unterstützt werde! Sämtliche Schwestern sollen der Priorin alle Monate einmal Rechenschaft ablegen, in welcher Weise sie im Gebete vorangeschritten sind und wie unser Herr sie führt; denn Seine Majestät wird ihr Licht verleihen, um jene auf den rechten Weg zu führen, die ihn nicht gehen. Es ist dies zugleich eine Übung der Demut und Abtötung und verschafft den Schwestern großen Gewinn; doch soll es immerhin dem freien Willen einer jeden überlassen bleiben. Sieht die Priorin, daß sie keine zur Novizenmeisterin geeignete Schwester habe, so möge sie selbst es sein und selbst dieses so wichtige Amt auf sich nehmen! In diesem Falle trage sie einer Schwester auf, ihr dabei behilflich zu sein!
Kann eine Schwester wegen notwendiger Beschäftigung in ihrem Amte nicht zur bestimmten Stunde dem innerlichen Gebete obliegen, so nehme sie sich eine andere Stunde dazu, in der sie weniger behindert ist! Dies gilt jedoch nur dann, wenn sie die ganze Stunde oder wenigstens den größeren Teil derselben nicht auf das Gebet verwenden konnte.
