Von dem Schuldkapitel
Das Schuldkapitel werde der Vorschrift der Regel gemäß einmal in jeder Woche gehalten! Dabei sollen die Fehler der Schwestern in Liebe zurechtgewiesen werden. Es finde immer in der Frühe, und zwar in folgender Weise statt:
Ist mit der Glocke das Zeichen gegeben und sind alle Schwestern im Kapitel versammelt, so lese jene, die das Amt der Leserin hat, auf das von der Oberin oder Präsidentin gegebene Zeichen etwas von diesen Satzungen und der Regel vor! Ehe sie zu lesen beginnt, spreche sie: »Jube Done benedicere«, worauf die Präsidentin antworte: »Regularibus disciplinis nos instruere dineris, Magister coelestis.« Alle sagen: Amen. Hält es hierauf die Mutter Priorin für gut, eine auf die Lesung oder Zurechtweisung bezügliche kurze Ansprache zu halten, so sage sie zuvor: »Benedicite!« Die Schwestern antworten: »Dominus«, und beugen sich zur Erde, bis ihnen befohlen wird, sich zu erheben; alsdann sehen sie sich wieder. Nachdem die Ansprache beendet ist, stehen sie auf das von der Oberin gegebene Zeichen auf und bekennen ihre Fehler. Den Anfang machen die Novizinnen und die Laienschwestern, denen dann die übrigen Sehwestern unter Vorantritt der älteren folgen. Sie treten zu zwei und zwei in die Mitte des Kapitelsaales und bekennen der Präsidentin ihre äußeren Fehler und Nachlässigkeiten; zuvor aber sollen die Novizinnen und Laienschwestern sowie jene, die nicht Sitz und Stimme haben im Kapitel, entlassen werden.
Nur in zwei Fällen dürfen die Schwestern im Kapitel reden: Erstens, um ihre eigenen Fehler sowie die ihrer Mitschwestern einfach vorzubringen, und zweitens, um der Präsidentin auf die von ihr gestellten Fragen zu antworten.
Die Schwester, die angeklagt wird, hüte sich, eine andere auf einen bloßen Verdacht hin anzuklagen! Würde eine dies tun, so werde ihr dieselbe Strafe auferlegt, die dem angeschuldigten Vergehen zukommt! Ebenso werde mit jener verfahren, die eine andere einer Schuld anklagt, für die diese bereits genuggetan hat! Damit jedoch die Fehler und Mängel nicht verborgen bleiben, so kann eine Schwester der Mutter Priorin oder dem Visitator mitteilen, was sie gesehen oder gehört hat. Wer fälschlich über eine andere etwas aussagt, werde auf dieselbe Weise bestraft, und sie sei zudem noch gehalten, deren verletzten guten Ruf nach Möglichkeit wieder zu erstatten!
Jene, die angeklagt wird, erwidere nichts, außer es werde ihr befohlen! Alsdann sage sie zuvor demütig: »Benedicite!« Würde sie aber ungehalten antworten, so werde sie nach klugem Ermessen der Präsidentin noch schwerer gestraft, aber erst, wenn die Leidenschaft sich
gelegt hat!
Die Schwestern sollen sich hüten, die gepflogenen Beratungen und geheimen Angelegenheiten eines Kapitels, auf welche Weise es auch sei, zu verbreiten und zu veröffentlichen. Von allem, was die Mutter im Kapitel gerügt und angeordnet hat, darf keine Schwester in tadelnder Weise etwas nach außen erwähnen; denn dadurch entstehen Zwistigkeiten, weicht der Friede aus dem Konvente, bilden sich Parteilichkeiten und maßt man sich das Amt der Vorgesetzten an.
Die Mutter Priorin oder Präsidentin soll mit liebevollem Eifer und mit Gerechtigkeitsliebe sowie ohne Hehl die Fehler, die an einer Schwester offen zutage treten oder deren sich eine anklagt, gemäß der hier folgenden Erklärungen gebührend zurechtweisen. Jedoch kann die Mutter Priorin die Strafe für eine Schuld, die nicht aus Bosheit begangen wurde — wenigstens das erste, zweite oder dritte Mal —, mildern oder abkürzen. Findet sie aber, daß eine Schwester aus gewisser Bosheit oder aus schlimmer Gewohnheit fehlt, so soll sie die früheren Strafen verschärfen und diese ohne Ermächtigung des Visitators nicht nachlassen oder mildern. Demnach werde jenen, die einen leichten Fehler gewohnheitsmäßig begehen, die für eine größere Schuld festgesetzte Buße auferlegt! Und in der gleichen Weise sollen auch den übrigen die (für eine Schuld) bestimmten Strafen verschärft werden, wenn sie solche aus Gewohnheit begehen.
Nach Anhörung und Zurechtweisung der Fehler bete man den Psalm: Deus misereatur usw., wie das Ordinarium es vorschreibt! Zum Schlusse des Kapitels sage die Präsidentin: »Sit nomen Domini benedictum«, worauf die Schwestern antworten: »Ex hoc nunc et usque in saeculum.«
