Kap. 44. Pachomius überwindet zweimal den Teufel.
Als Pachomius einmal von der Inanspruchnahme der Freunde und Brüder Muße hatte, da griff ihn der Dämon an; er stellte sich ihm gegenüber und sprach: „Freue dich, Pachomius, denn ich bin Christus, und zu dir, meinem Freunde, gekommen.“ Er aber, der durch die Unterscheidung des Heiligen Geistes den Erscheinungen des Bösen auswich, überlegte bei sich und sagte: „Die Erscheinung der Heiligkeit Christi ist voll Freude und frei von jeder Furcht, während alle menschlichen Gedanken vor der Anschauung des Erscheinenden verschwinden. Ich aber bin jetzt voll Unruhe und überlege hin und her.“
Sogleich stand er auf, faßte Mut durch den Glauben an Christus, streckte die Hand aus, um ihn zu ergreifen, hauchte ihn an und sprach: „Weiche von mir, Teufel! Verflucht bist du und dein Anblick und die List deiner Anschläge.“
Und jener wurde wie Staub, erfüllte das Haus mit Gestank und zerriß die Luft, indem er wider ihn mit lauter Stimme schrie: „Zu meinen Füßen wollte ich dich niederwerfen, aber die Macht Christi ist groß und ich werde von euch täglich verspottet. Ich werde aber nicht aufhören mit meinem Kampfe, denn ich muß mein Werk erfüllen.“
Pachomius aber, stark im Geiste, widersprach, voll Dank gegen den Herrn für seine ungewöhnlichen Gaben, die er ihm gegen den Teufel eingeräumt hatte. Als der Große in einer Nacht mit Theodorus in diesem KlosterS. 888herumging, sah er plötzlich von ferne eine Erscheinung, groß und voll Trug. Es war nämlich die Gestalt eines Weibes von unendlicher Schönheit, so daß man weder Haltung noch Bildung und Anblick der ihr innewohnenden Schönheit schildern kann.
Als Theodorus sie wahrnahm, da geriet er sehr in Verwirrung und veränderte seinen Gesichtsausdruck. Als ihn der Selige so furchtsam sah, sagte er zu ihm: „Fasse Mut im Herrn, Theodorus, und beunruhige dich nicht!“ Darauf stellte er sich zum Gebete hin, um jene schreckliche Erscheinung zu vertreiben. Während sie beteten, kam jenes Weib voll Unverschämtheit mehr und mehr gegen sie heran; sie näherte sich mit einer Schar von Dämonen, die vor ihr einherliefen, und während das Gebet des Pachomius zu Ende ging, kam sie und sagte zu ihnen: „Warum plagt ihr euch vergeblich? Ihr könnt gegen mich nichts ausrichten, denn ich habe von Gott, dem Herrn über alles, Macht erhalten, zu versuchen, wen ich will, und auf lange Zeit hinaus habe ich dies von Gott erbeten.“
Da fragte sie der heilige Pachomius und sprach: „Sage mir, wer bist du? Woher kommst du und wen willst du versuchen?“ Sie aber erwiderte: „Ich bin die Gewalt des Teufels. Mir dient die ganze Heerschar der Dämonen. Ich bin die, welche dem Judas das Kleid des Apostels geraubt hat. Gegen dich nun habe ich es unternommen zu kämpfen, Pachomius, denn ich konnte den Spott der Dämonen nicht ertragen. Niemals nämlich hat mich einer so aller Kraft beraubt wie du; denn Kindern und Greisen und jüngeren Männern unterjochst du mich durch deine Lehre und machst, daß ich von ihnen getreten werde. Und nachdem du gegen mich eine so gewaltige Schar versammelt hast, hast du sie mit einer unzerstörbaren Mauer, mit der Furcht Gottes, umgeben, daß sich fürderhin unsere Diener keinem von euch ungestört nähern können. Dies alles ist euch zugefallen im Namen des Mensch gewordenen Wortes Gottes, der euch alle Gewalt gegeben hat, unsere Macht zu zertreten und über uns zu spotten.“
S. 889Pachomius erwiderte darauf: „Wie nun, bist du gekommen, mich allein zu versuchen, wie du sagst, oder auch andere?“ Sie sagte zu ihm: „Dich und alle, welche nach deinem Beispiel leben.“
Wieder fragte sie Pachomius: „Also auch den Theodorus?“ Sie aber entgegnete: „Gegen dich und Theodorus habe ich Gewalt erhalten, aber ich kann mich euch durchaus nicht nähern.“ Sie fragten: „Warum denn?“ Da sprach sie zu ihnen: „Wenn ich gegen euch kämpfe, dann werde ich für euch mehr die Veranlassung zum Nutzen als zum Schaden, besonders für dich, Pachomius. Denn du wurdest gewürdigt, mit leiblichen Augen die Herrlichkeit Gottes zu schauen. Aber ihr werdet nicht auf ewig bei ihnen sein, die ihr jetzt durch euer Gebet schützt. Denn es wird nach eurem Tode die Zeit kommen, wo ich über sie frohlocken werde. Denn ihr habt bewirkt, daß ich unter die Füße einer so großen Schar von Mönchen getreten werde.“
Der Große aber sprach zu ihr: „Woher weißt du, daß die nach uns nicht mehr als wir treu dem Herrn dienen, um die später Lebenden, die die Furcht des Herrn erwerben, schützen zu können?“ „Ich weiß dies“, sagte sie. „Du lügst auf dein gottloses Haupt!“ rief Pachomius. „Du hast durchaus nicht die Gabe der Vorhersehung. Denn das liegt in der Hand Gottes und steht unter seinem Willen und in seiner Gewalt. Du aber herrschest über die Lüge.“
Sie aber sagte: „Hinsichtlich der Gabe der Vorhersehung, so wie du sie auffaßt, verstehe ich nichts; ich sage dir aber auf Grund einer Vermutung, daß ich es weiß.“ Als der Selige fragte: „Und weshalb vermutest du es?“, entgegnete sie: „Aus dem, was vorher geschieht, sage ich auch die Zukunft voraus.“ Wieder fragte er: „Aber wie?“ Sie sagte zu ihm: „Der Anfang jeder Handlung richtet mit ganzer Sehnsucht sein Ziel darauf, das Erstrebte zu erreichen, besonders die Sehnsucht nach der himmlischen Heimat und Berufung, welche nach dem Willen Gottes bekräftigt wird durch Wunder und Zeichen; sobald sie aber durch verschiedenartige Kräfte die schützt, welche ihr nachstreben,S. 890und älter wird, dann hört sie auf, sich zu steigern, da sie durch die Zeit verbraucht wird oder durch Leichtsinn verschwindet oder durch Verachtung geschwächt wird.“
Der Große fragte sie: „Wie nun? Warum bist du gekommen, wie du sagst, um die Großen zu versuchen und nicht alle Brüder? Denn, wie du behauptest, ist es deine besondere Aufgabe, die Seele zu vernichten, da du alle Dämonen in der Schlechtigkeit übertriffst und so große Macht gegen solche Männer hast?“ Sie antwortete und sprach: „Ich habe es dir schon vorher gesagt: Seitdem die allgewaltige, heilbringende Menschwerdung Christi auf der Welt zur Tat geworden ist, sind wir machtlos, so daß wir von denen, die an ihn glauben, wie ein Sperling verspottet und verlacht werden. Aber wenn wir auch schwach geworden sind, so geben wir doch keine Ruhe bei denen, über die wir Macht erlangt haben; wir werden auch nicht aufhören, euch anzugreifen, indem wir unsere eigene Schlechtigkeit in die Seelen der Kämpfer einpflanzen. Besonders wenn wir einen kennen, den der Reiz oder die Lust verführt hat, da entzünden wir die Lüste noch mehr und bedrängen ihn, wir, die wir mächtig und unbezwinglich sind. Wenn wir aber im Gegenteil sehen, daß einer kein Verlangen nach unseren Gaben hat und sie auch nicht gern behält, sondern sich durch den Glauben an Christus und durch die Nüchternheit seines Sinnes behütet, da entweichen wir wie Rauch, der in der Luft vergeht. Deshalb dürfen wir nicht gegen alle mit ganzer Macht kämpfen, weil nicht alle den Krieg mit mir vollkommen auf sich nehmen können. Denn wenn wir gegen alle dies tun dürften, hätte ich viele trotz eures Schutzes verführt. Und was dulde ich, da sie bewacht werden durch die vorhersehende und überschauende Kraft des Gekreuzigten infolge eurer Bitten.“
Da sprach der Heilige mit lauter Stimme unter vielen Seufzern zu ihr: „O über eure rastlose Schlechtigkeit! Ihr hört nicht auf, auch in Zukunft gegen das Menschengeschlecht zu rasen, bis die göttliche und sterbliche Majestät vom Himmel wiederkommt undS. 891euch vollkommen vernichtet.“ Darauf schalt er die Schar der Dämonen und zerstreute sie sogleich im Namen Christi und machte sie unsichtbar.
Als es nun Morgen geworden war, rief Pachomius alle die Brüder zusammen, welche sich durch Lebenswandel und Alter auszeichneten, und erzählte alles, was er gesehen und von dem verderblichen Dämon gehört hatte; auch den Abwesenden teilte er es mit, er sicherte sie durch die Furcht Gottes und belehrte sie, die Trugbilder der schlechten Dämonen für nichts zu achten.
Als diese hörten und sahen, wie solche Wunder mit Hilfe der Gnade Christi durch ihn geschahen, da wurden sie mächtig gestärkt und nahmen gern die Mühe der Askese auf sich.
