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Was könnte es also den Anhänger des heiligen Evangeliums beunruhigen, wenn Christus, obwohl aus der Jungfrau ohne Vereinigung mit Joseph geboren, dennoch Sohn Davids genannt wird, da doch der Evangelist Matthaeus die Stammbaumreihe nicht zu Maria, sondern zu Joseph hinführt? - Denn erstens gebührte ja die Ehre aufgrund des männlichen Geschlechts eher der Person ihres Ehemanns; und dass er keinen Geschlechtsverkehr mit ihr hatte, bedeutet ja nicht, dass er nicht ihr Ehemann war, wo doch Matthaeus, der berichtet (cf. Mt. 1,18), dass sie nicht aus der Vereinigung mit Joseph, sondern aus dem Heiligen Geist schwanger geworden war, auch berichtet (cf. Mt. 1,20), dass Maria vom Engel als dessen Gattin bezeichnet wurde. - Angenommen aber, nicht der Apostel Matthaeus habe dies wahrheitsgemäss niedergeschrieben, sondern irgendein anderer Autor als Fälschung unter dessen Namen, wie die Manichäer das annehmen, wäre es etwa bei diesem denkbar, dass er bei so offenkundigen Tatsachen, die in so engem Zusammenhang miteinander stehen, derart widersprüchliche Aussagen gemacht hätte, indem er einerseits Jesus als Sohn Davids bezeichnete, geboren aus der Jungfrau, die sich mit keinem Mann vereinigt hatte, andererseits, die Vorfahren generationenweise aufzählend, die Reihe ohne jede Vernunft zu jenem hinführte, von dem er selber gesagt hatte, dass er sich nie mit Maria vereinigt habe? - Eine weitere Möglichkeit: angenommen, ein Schriftsteller habe die Vorfahren Christi von David bis Joseph aufgeführt und ihn selber Sohn Davids genannt, ein zweiter aber berichtet, dass er aus der Jungfrau Maria geboren sei, ohne dass diese Umgang mit irgend einem Mann gehabt hätte, und ihn selber nicht als Sohn Davids bezeichnet: selbst hier dürften wir nicht unbesehen annehmen, dass sie damit sich gegenseitig widersprechende Aussagen gemacht hätten, sodass beide oder wenigstens einer von ihnen der Fälschung überführt wäre. Denn wir müssten auch noch die Möglichkeit im Auge behalten, dass beide die Wahrheit sagten, dass also einerseits Joseph als Ehemann der Maria bezeichnet werden konnte, der aber die Ehe mit ihr enthaltsam führte, nicht in Liebeslust sondern in Zuneigung, nicht in der Vereinigung der Körper sondern, was die höhere Form der Liebe ist, in der Verbindung der Seelen, und deshalb als Gatte der jungfräulichen Mutter Christi nicht aus der Ahnenreihe Christi ausgeschlossen werden musste, und dass andererseits auch Maria selber blutsmässig in irgend einer Form mit dem Stamm Davids verbunden war, sodass Christus seinem Fleisch nach, auch wenn er aus der Jungfrau hervorging, doch eine Verbindung mit dem Geschlecht Davids haben musste. Da nun aber ein und derselbe Erzähler beides berichtet, beides uns ans Herz legt, sowohl dass Joseph der Ehemann Marias war, wie auch dass die Mutter Christi Jungfrau war, dass Christus aus dem Geschlecht Davids kommt, und dass Joseph sich in der Reihe der Vorfahren Christi, die von David ausgeht, befindet: was bleibt da für jemanden, der lieber dem göttlichen Evangelium Glauben schenkt als den Erzählungen der Häretiker, anderes zu glauben übrig, als dass einerseits Maria dem Geschlecht Davids nicht fernstand, und dass sie aufgrund ihrer Geschlechterrolle und der Seelenharmonie nicht grundlos Ehefrau des Joseph genannt wurde, obwohl sie mit ihm nicht geschlechtlich verkehrte, dass andererseits Joseph vor allem wegen seiner männlichen Würde (cf. P. 713,7) nicht aus jener Generationenreihe ausgesondert werden durfte, zum einen, damit nicht der Eindruck entstände, er habe mit jener Frau nichts gemeinsam, mit der ihn doch die Zuneigung des Herzens verband, zum andern, damit nicht etwa christusgläubige Menschen die körperliche Vereinigung zwischen Eheleuten für einen so entscheidenden Bestandteil der Ehe hielten, dass sie glaubten, ohne diese Vereinigung überhaupt keine Eheleute zu sein, vielmehr begriffen, dass sie als gläubige Ehepaare viel enger mit den Gliedern Christi verbunden sind, wenn sie den Eltern Christi möglichst ähnlich werden.
