3.
Augustinus antwortete: Was Henoch, Elias und Moses betrifft, glauben wir all das, was die Heilige Schrift uns bezeugt, die aufgrund von gesicherten und kräftigen Beweisen ihrer Glaubwürdigkeit die oberste Spitze der Autorität bildet, nicht das, was Faustus uns zu glauben unterstellt. Was aber „der Natur gemäss“, was „gegen die Natur“ heisst, das können Menschen, die wie ihr im Irrtum leben, nicht wissen. Dass man aber in menschlicher Sprechweise sagen kann, etwas sei gegen die Natur, wenn es der üblichen, den Menschen bekannten Wirkungsweise der Natur zuwiderläuft, dies bestreiten auch wir nicht, so wie dies etwa beim Satz des Apostels der Fall ist (Rm. 11,24): Wenn du aus dem von Natur wilden Ölbaum herausgehauen und gegen die Natur in den edlen Ölbaum eingepfropft wurdest. Was gegen die von der menschlichen Erfahrung erkannte Gewohnheit der Natur verstösst, indem ein wilder Ölbaum, der einem Olivenbaum aufgepfropft wurde, nicht Beeren des wilden Ölbaums, sondern saftige Oliven trägt, von dem sagt er hier, es sei gegen die Natur. Doch der Schöpfer und Begründer aller Formen der Natur, schafft nichts gegen die Natur (cf. Civ. 21,8); denn für jedes Ding wird genau das naturgemäss sein, was jener geschaffen hat, von dem jedes Mass, jede Zahl, jede Ordnung der Natur ausgeht. Aber selbst der Mensch tut nichts gegen die Natur, ausser wenn er sündigt; wobei er ja mit der Bestrafung wieder in seine Natur eingesetzt wird. Denn es gehört zur natürlichen Ordnung der Gerechtigkeit, dass Sünden entweder gar nicht begangen werden, oder aber nicht ohne Strafe bleiben können. Was immer von beidem zutrifft, die natürliche Ordnung wird bewahrt, wenn nicht von der Einzelperson, dann sicher von Gott. Denn die Sünden quälen das Gewissen und schaden der Seele selber, indem ihr durch das Sündigen das Licht der Gerechtigkeit entzogen wird, ganz abgesehen von den Schmerzen, die den Menschen bei der Zurechtweisung zugefügt, oder aber, wenn diese Zurechtweisung nicht erfolgt, für zuletzt aufgespart werden.
Und doch ist es durchaus passend zu sagen, Gott tue etwas gegen die Natur, wenn er etwas im Widerspruch zu dem tut, was wir in der Natur kennen. Wir bezeichnen nämlich auch den uns bekannten und vertrauten Lauf der Natur als Natur, und wenn er etwas tut, das diesem nicht entspricht, nennt man das Wundertat oder Wunder (cf. Civ. 21,8; tr.Ioh. 8,1;9,1; trinit. 3,5,11-3,8,15; gn.lit. 9,16,29-30; 6,14,25-6,18,29). Gegen jenes höchste Gesetz der Natur aber, das der Erkenntnis der Gottlosen und der noch Schwachen entzogen ist, tut Gott sowenig etwas, wie er etwas gegen sich selbst tut. Die geistige und gleichzeitig vernunftbegabte Schöpfung aber, zu welcher Kategorie auch die menschliche Seele gehört, sieht umso klarer, was geschehen kann und was nicht, je mehr sie teilhat an jenem unwandelbaren Gesetz und Licht; je weiter sie aber davon entfernt ist, umso mehr wundert sie sich über Ungewohntes, da sie nicht erkennt, was zukünftig sein wird.
