5.
Jeder der also sagt: Wenn Gott allmächtig ist, soll er machen, dass das, was geschehen ist, ungeschehen sei, merkt nicht, dass er folgendes sagt: Wenn er allmächtig ist, soll er machen, dass das was wahr ist, in eben diesem Wahrsein falsch sei.
Denn Gott hat das Vermögen zu bewirken, dass etwas nicht ist, das war; dann nämlich bewirkt er, dass etwas nicht ist, wenn er es im Sein vorfindet, an dem sich die Wirkung vollziehen kann, zum Beispiel, wenn er jemanden, der das Sein mit der Geburt begonnen hat, durch das Sterben zum Nicht-Sein bringt; denn hier findet er das Gewordene vor, an dem die Einwirkung erfolgen kann. Wer aber könnte sagen (cf. 732,22), Gott möge doch bewirken, dass etwas, was schon nicht ist, nicht sei (cf. Conf. 11)? Denn alles was vergangen ist, ist schon nicht; wenn nämlich aus ihm noch etwas werden kann, dann ist noch etwas da, woraus dieses werden kann, und wenn das da ist, wie ist es dann vergangen? Was wir wahrheitsgemäss als gewesen bezeichnen, ist also in Wahrheit nicht, doch ist dieses Gewesensein deshalb wahr, weil es in unserer Aussage wahr ist, nicht aber in jenem Gegenstand, der ja nicht mehr ist. Denn die Aussage, mit der wir ausdrücken, dass etwas gewesen ist, ist aber deshalb wahr, weil das, wovon wir sprechen, schon nicht ist. Diese Aussage kann Gott nicht zur Falsch-Aussage machen, denn er steht ja nicht im Gegensatz zur Wahrheit. Wenn man aber fragt, wo sich diese wahre Aussage aufhält, so findet sie sich zuerst einmal in unserem Geist, wenn wir diese Wahrheit wissen und aussprechen, wenn sie dann aber auch unserem Geist entschwindet, weil wir das, was wir wissen, vergessen haben, dann bleibt sie in der Wahrheit selber. Denn für immer wird es wahr sein, dass das, was war und nicht ist, gewesen ist. Und diese Wahrheit, dass gewesen ist, was war, wird ihren Aufenthalt dort haben, wo ihn die Wahrheit, dass sein wird, was nicht war, damals hatte, als es noch nicht geschehen war. Dieser Wahrheit kann sich Gott nicht widersetzen, in dem die oberste und unwandelbare Wahrheit selber ist, durch den allem, was sich in Seele und Geist sämtlicher Menschen an Wahrem befindet das Licht der Wahrheit gespendet wird. Als Allmächtigen aber bezeichnen wir Gott nicht in dem Sinn, als ob wir glaubten, er könne auch sterben, sodass er folglich, da er dies ja nicht kann, nicht als unsterblich >bezeichnet werden dürfte. Klarerweise wird er als der alleinige wahrhaft Allmächtige bezeichnet, weil er wahrhaft ist, und weil alles, was es in irgendeiner Weise an Geistigem oder Körperlichem gibt, von ihm allein ist, und weil er nach seinem Gutdünken über seine Schöpfung verfügt; dieses Gutdünken aber steht im Einklang mit der wahren und unwandelbaren Gerechtigkeit, die er in sich selber ist, indem er, selber unwandelbar, alles Wandelbare, umwandelt, so wie es dies verdient hat, sei es von seiner Natur, sei es von seinen Taten her. Werden wir also behaupten wollen, es sei unmöglich, dass Elias, der ja ein Geschöpf war, durch den Willen des allmächtigen Gottes eine Umwandlung zum Schlechteren oder zum Besseren erfahren habe, wenigstens eine Umwandlung von der Art, wie sie für das Menschengeschlecht ungewöhnlich ist? Welcher Einfaltspinsel könnte das behaupten? Warum sollten wir also nicht glauben, was über ihn in der Schrift steht, welche die reinste Wahrheit enthält? Oder glauben wir etwa, Gott könne nur das wirken, was wir täglich sehen?
