7.
In der Schule habe ich als Knabe von einem, dessen lebenstreues, ehernes Standbild 1 ich selbst auf den Straßen gesehen habe, gehört, daß er, obwohl seine Knochen kaum noch zusammenhielten, so in unerlaubter Liebe entbrannt war, daß er eher des Lebens als dieser Pest ledig wurde. Was willst denn Du da anfangen, o Mädchen, mit Deinem gesunden Körper, jung, wohlgenährt, rotwangig und heißblütig, wie Du bist, wenn Du an Schmausereien und Weingelagen teilnimmst, die Bäder besuchst und mitten unter Ehefrauen und Jünglingen sitzest? Zeigst Du Dich denen, die sich Dir nähern, auch unzugänglich, so wirst Du doch darin, daß sie sich Dir nähern, einen Beweis Deiner Schönheit erblicken. Ein geiler Mensch stellt ganz besonders der Tugend nach, und die versagten Genüsse dünken ihm die süßesten zu sein. Selbst das einfache, dunkle Kleid verhüllt nicht die schweigenden Gedanken, wenn es keine Falte zeigt, wenn man es auf der Erde nachschleppt, um größer zu erscheinen; wenn der Rock absichtlich nicht ganz geschlossen ist, damit man sehen soll, was sich darunter verbirgt; wenn er dazu dient, das, was andere stoßen kann, zu verdecken, aber frei zu lassen, was andere reizt. Auch der schwarze glänzende Schuh lockt, wenn er beim Gehen knarrt, die Jünglinge an. Der Busen wird durch Binden eingeschnürt, und durch einen reich besetzten Gürtel zwängt man die Taille um so enger ein. Die Haare fließen auf die Stirne oder die Ohren herab. Das Mäntelchen rutscht zuweilen nach unten, damit die glänzenden Schultern S. 342 zu sehen sind. Eilig bedeckt man sie wieder, als ob sie niemand sehen soll, während sie doch absichtlich entblößt wurden. Und wenn man auf der Straße wie aus Schamhaftigkeit das Antlitz verschleiert, so läßt man doch mit dem Raffinement einer Buhlerin nur das sehen, was um so mehr Gefallen zu erregen vermag, wenn es offen zur Schau getragen wird.
Vgl. Vergil, Aen. VI 847. ↩
