1.
Nach meinem letzten Schreiben an Dich, 1 in welchem ich kurz einige hebräische Ausdrücke erklärt habe, kam mir ganz unerwartet zu Ohren, daß gewisse Leutchen mit allem Eifer an mir herumnörgeln. Sie S. b96 werfen mir vor, daß ich im Gegensatz zur Autorität der alten Schriftsteller und gegen die Meinung der ganzen Welt mich unterfangen habe, an den Evangelien einige Verbesserungen vorzunehmen. Ich hätte ja alles Recht, sie links liegen zu lassen; denn schließlich ist es vergebliche Liebesmühe, dem Esel nach der Leier eins vorzusingen. 2 Aber tue ich dies, dann zeihen sie mich ihrer Gewohnheit gemäß des Stolzes, und deshalb sollen sie ihre Antwort haben. Sie mögen mich doch nicht für so stumpfsinnig und ungebildet halten, daß ich glaube, am Worte Gottes etwas verbessern zu müssen, oder daß ich gar seine göttliche Eingebung leugne. Von mir aus sollen sie Stumpfsinn und Dummheit mit Heiligkeit gleichsetzen und betonen, daß sie Schüler von Fischern seien, gleich als ob sie dadurch, daß sie nichts wissen, schon gerecht wären. Wohl aber bedürfen die fehlerhaften lateinischen Handschriften der Verbesserung, wie ja die mangelnde Übereinstimmung aller Texte hinreichend nahelegt. Sie gilt es, mit der griechischen Urschrift in Einklang zu bringen, aus der sie sich, was ja auch meine Gegner nicht bestreiten, herleiten. Wenn diesen das reine Wasser der Quelle mißfällt, mögen sie immerhin aus den morastigen Bächlein trinken! Mögen sie bei der Lesung der Schrift auf die Sorgfalt verzichten, die sie auf den Geschmack der Vögel oder die Herkunft der Austern verwenden! Sie sollen dann wenigstens ihre Einfalt dadurch bekunden, daß sie Christi Worte für bäuerisch halten, über denen im Laufe der Jahrhunderte so viele Geister gebrütet haben, um zuletzt den Sinn der einzelnen Worte mehr zu ahnen als klar wiederzugeben. Sie mögen den Apostel als unerfahren hinstellen, dem wegen seines vielen Studierens Wahnsinn vorgeworfen wurde. 3
