4.
Wie ich vernehme, stehst Du in Rom bei allen in hoher Achtung. Man sagt mir, daß Oberhirte und Volk in ihrem Wunsche einiggehen. Aber es ist leichter, das Priestertum zu erlangen, als es zu verdienen. Wenn Du die sechzehn Bücher der Propheten 1 liesest, die ich aus dem Hebräischen ins Lateinische übersetzt habe, und wenn ich höre, daß Du daran Gefallen findest, dann will ich auch den Rest nicht im Schranke verschlossen halten. Neulich habe ich das Buch Job in unsere Sprache übersetzt. 2 Du kannst ein Exemplar von der heiligen Marcella, Deiner Base, entleihen. Lies den griechischen wie den lateinischen Text und vergleiche die alte Übersetzung mit der meinigen, dann wirst Du ganz deutlich sehen, daß sie sich voneinander unterscheiden wie Wahrheit und Lüge. Einige Kommentare zu den zwölf Propheten 3 habe ich dem heiligen Vater Domnio 4 gesandt, ebenso Samuel und die Malachim, d.h. die vier Bücher der Könige. 5 Wenn Du sie lesen willst, so wird Dir klar werden, wie schwer es ist, die Hl. Schrift, besonders die Propheten, zu verstehen. Auch wirst Du bemerken, daß diese Bücher infolge der Nachlässigkeit S. b114 der Übersetzer bei uns von Fehlern wimmeln, während sie im Urtexte im reinsten Redefluß dahingleiten. Im übrigen suche in den Werken der Kleinen nicht nach ciceronianischer Beredsamkeit, die Du ja um Christi willen sonst geringschätzest. Die kirchliche Wissenschaft soll nicht nach Schönheit des Stiles haschen; falls sie aber vorhanden ist, soll sie diese zu verbergen suchen. Sie soll sich ja an das ganze Menschengeschlecht wenden, nicht aber an einige unbedeutende Philosophenschulen mit ihrer kleinen Anzahl von Schülern.
Übersetzt vor 392. ↩
Übersetzt 393. ↩
Es können nur die um 392 erschienenen Kommentare zu Nahum, Michäas, Sophonias, Aggäus und Habakuk gemeint sein. ↩
Römischer Freund, der Hieronymus auf einen Mönch aufmerksam machte, der die Bücher gegen Jovinian in der Öffentlichkeit herabsetzte. Mit scharfem Sarkasmus erledigt ihn Hieronymus in der ep. 50 ad Domnionem. ↩
Übersetzt vor 392. ↩
