Dreizehnter Artikel. Die Ordnung in der Liebe bleibt im ewigen Heim.
a) Dies wird geleugnet. Denn: I. „Die vollkommene Liebe besteht darin, daß wir mehr das Bessere lieben und weniger das Geringere,“ sagt Augustin (de vera Relig. 48.). Also werden wir im Himmel die besseren mehr lieben wie uns selbst und die Verwandten. II. Jener wird mehr geliebt, dem wir größeres Gute wünschen. Im Himmel aber sind wir durchaus gleichförmig dem Willen Gottes. Also wollen wir dem das größere Gut, der es thatsächlich hat. Also lieben wir in höherem Grade die besseren. III. Der ganze maßgebende Grund der Liebe im Himmel ist Gott, „der da Alles in Allem sein wird.“ (1. Kor. 15.) Also wird jener mehr dort geliebt, der Gott näher steht; und somit mehr wie der liebende sich selber liebt und die mit ihm sonstwie Verbundenen. Auf der anderen Seite hebt die Gnade die Natur nicht auf, sondern vervollkommnet sie. Also bleibt die Ordnung in der heiligen Liebe, wie sie nach dem Dargelegten auf der Natur beruht.
b) Ich antwmte; jedenfalls sei auch im Himmel Gott über Alles zu lieben. Was die Beziehung aber eines jeden, der da im Himmel liebt, zu den anderen betrifft, so muß man unterscheiden. Denn mit Rücksicht auf das Gute, was der eine dem anderen wünscht, wird jeder mehr lieben die besseren wie sich selbst, und weniger jene, die niedriger stehen als er. Denn jeder Selige will im Himmel vollkommen das, was die göttliche Gerechtigkeit einem jeden zugeteilt hat; und zudem hört dann Verdienst und Mißverdienst auf, wonach jetzt jemand wünschen kann, die ihm Verbundenen mögen mehr Tugend und Gnade erlangen. Mit Rücksicht auf den Grad der Kraft in der Thätigkeit der Liebe des einzelnen aber wird jeder sich selbst lieben mehr wie den Nächsten, mag derselbe auch besser sein. Denn der Grad solcher Kraft kommt von seiten des liebenden. Und dazu eben wird jedem die Gabe der Liebe verliehen, daß er zuerst seinen eigenen Geist zu Gott wende, was da ist „sich selbst lieben“; auf Grund dessen also erst will er dann die Beziehung der anderen zu Gott oder daß die einzelnen thätig seien nach ihrer jedesmaligen Beschaffenheit. Unter den anderen aber wird der liebende schlechthin den besseren mehr lieben. Denn das ganze selige Leben besteht in der Hinordnung des Geistes zu Gott. Also wird auch jener mehr geliebt werden, der Gott näher steht. Die Vorsorge für die mehr Verbundenen, wie für Eltern, Kinder hört da auf; wonach man hier den einen mehr lieben mußte wie den anderen. Freilich werden die Bande der Verwandtschaft etc. auch dort weiter bestehen; denn die anständigen Ursachen für die Liebe bleiben im Seligen. Jedoch über sie alle hinaus wird unvergleichlich weit hervorragen jener maßgebende Grund der Liebe, welcher auf der mehr oder minder großen Nähe Gottes beruht.
c) I. Jener Einwurf hat recht mit Rücksicht auf die Verwandten und sonst natürlich Verbundenen; nicht aber mit Rücksicht auf den liebenden selbst. Je mehr nämlich jemand sich selbst liebt in höherem Grade wie die anderen, desto vollendeter ist seine Liebe. Denn die Vollendung der Liebe bezieht den Menschen auf Gott in vollkommener Weise, was der Liebe zu sich selbst angehört. II. Wird nach dem Gesagten zugestanden. III. Gott ist die ganze Regel der Liebe, weil Er das ganze Allgut des Menschen ist, der da liebt. Also muß der Mensch nach Gott am meisten sich selbst lieben. l
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