Erster Artikel. Das Gelübde ist kein bloßer Vorsatz des Willens.
a) Das Gelübde ist ein bloßer Vorsatz des Willens. Denn: I. Nach der Definition mancher „ist das Gelübde die Auffassung des vorliegenden Guten zusammen mit der festen Überlegung der Seele, kraft deren jemand sich Gott gegenüber verpflichtet, etwas zu thun oder nicht zu thun.“ Dies Alles aber kann in der alleinigen Willensbewegung bestehen. Also ist das Gelübde nichts als ein Vorsatz des Willens. II. Der Name „Gelübde“ selbst scheint vom „Lieben“ oder „Vornehmen“ zu kommen; es gelobt d. h. es lobt jemand was er liebt. Lieben ist ein Willensakt. III. Bei Luk. 9. heißt es: „Niemand, der seine Hand an den Pflug legt und rückwärts blickt, ist passend für das Himmelreich.“ Es legt jemand die Hand an den Pflug dadurch, daß er einen guten Vorsatz faßt. Wenn er also von seinem Vorsatze abgeht, ist er nicht passend für das Reich Gottes. Auf der anderen Seite heißt es Ekkle. 5.: „Wenn du etwas Gott gelobt hast, so zögere nicht, es zu erfüllen; denn es mißfällt Gott ein leichtsinniges und thörichtes Versprechen.“ Also ist das Gelübde ein Versprechen.
b) Ich antworte, das Gelübde schließe eine gewisse Verpflichtung ein etwas zu thun oder zu unterlassen. Der Mensch aber verpflichtet sich einem anderen gegenüber durch ein Versprechen; was ein Akt der Vernunft ist; — gehört es dieser doch zu, etwas zu Anderem hinzuordnen. Denn wie der Mensch durch Befehl oder Bitte gewissermaßen ordnet, was ihm gegenüber von den anderen aus geschehen soll, so ordnet er durch Versprechen, was er für einen anderen zu thun hat. Den Menschen nun gegenüber kann ein Versprechen nur geschehen vermittelst der Worte oder anderer äußerer Zeichen. Gott aber kann man etwas versprechen durch den bloßen inneren Gedanken; denn „der Mensch sieht, was außen erscheint, Gott aber schaut das Herz an.“ (1. Kön. 16.) Zuweilen jedoch werden Worte ausgesprochen, entweder um sich selbst zu ermuntern wie beim Gebete oder um andere als Zeugen zu haben, damit man das Gelübde beobachte auch aus Furcht vor den Menschen, nicht allein aus Furcht vor Gott. Das Versprechen nun setzt voraus den Vorsatz, der Vorsatz die Überlegung; und so ist zu einem Gelübde dreierlei erfordert: 1. die Überlegung; 2. der Vorsatz des Willens; 3. das Versprechen, was den Wesenscharakter des Gelübdes vollendet. Hinzugefügt wird manchmal: 1. das Aussprechen mit der Zunge, nach Ps. 65.: „Ich will vor Dir meine Gelübde erfüllen, welche meine Lippen ausgesprochen haben;“ — und 2. das Zeugnis der anderen. Deshalb sagt Petrus Lombardus (38. dist. lib. 4. Sent.): „Das Gelübde ist das Bezeugen eines freien Versprechens, welches Gott gegenüber geschehen muß und nur das, was Gottes ist, betreffen darf;“ das Bezeugen kann hier auch auf das Innere des Gewissens bezogen werden.
c) I. Die Auffassung aus vorhergehender Überlegung wird nur durch das Versprechen fest. II. Der Wille setzt die Vernunft in Thätigkeit, daß sie verspreche etwas dem Willen Unterworfenes. Somit ist der Wille der erste Beweger und giebt deshalb den Namen. III. Wer die Hand an den Pflug legt, thut schon etwas. Wer aber nur sich etwas vornimmt, thut noch nichts. Wenn er verspricht, so ist es der erste positive Schritt, um etwas zu thun, mag auch noch nichts ausgeführt sein.
