Fünfter Artikel. Das Gelübde ist ein Akt der Gottesverehrung.
a) Das wird bestritten. Denn: I. Jedes Tugendwerk kann man geloben. Also gehört das Gelübde einer jeden Tugend an. II. Nach Cicero (2. de Juv.) bringt die Gottesverehrung Gott einen Kult und Ceremonien dar. Wer aber gelobt, der verspricht nur etwas, bringt also nichts dar. III. Gelübde werden auch den Oberen gegenüber geleistet, wie wenn man ihnen Gehorsam gelobt. Die Gottesverehrung aber hat nur Gott zum Gegenstande. Auf der anderen Seite sagt Isaias (19, 21.): „Sie werden Ihn verehren mit Opfergaben und Geschenken; Gelübde werden sie machen dem Herrn und sie erfüllen.“
b) Ich antworte, jegliches Tugendwerk gehöre der Gottesverehrung an, soweit diese anordnet und befiehlt, was zur Ehrfurcht vor Gott gehört; und es ist der eigenste Zweck der Gottesverehrung. Also das Hinordnen selber von Tugendwerken zum Dienste Gottes ist ein der Gottesverehrung eigener Akt. Das Gelübde aber ist ein Gott gemachtes Versprechen und Versprechen ist nur eine Hinordnung dessen, was versprochen wird, zu jenem hin, dem versprochen wird. Also ist das Gelübde eine Hinordnung dessen, was man gelobt zum göttlichen Kulte oder Dienste. Und sonach ist Geloben recht eigentlich ein Akt der Gottesverehrung.
c) I. Mag das gelobte Werk einer anderen Tugend an und für sich angehören, wie Fasten; oder ein Akt der Gottesverehrung unmittelbar sein, Opfern, Beten; — immer ist ein solches Versprechen ein Akt der Gottesverehrung in der Weise, wie eben gesagt. Manche Gelübde also gehören der Gottesverehrung an, nur auf Grund des Versprechens, was das Wesen des Gelübdes ist; manche aber auch auf Grund des Versprochenen, der Materie gleichsam des Gelübdes. II. Die im Gelübde enthaltene Verpflichtung ist bereits eine Gabe. Man dankt ja nicht nur jemandem, der giebt, sondern auch einem, der verspricht. III. Geloben kann man nur Gott etwas; versprechen kann man auch einem Menschen. Und ein solches Versprechen, das man einem Menschen macht, insofern es etwas Gutes betrifft, also ein Tugendwerk ist, kann Gegenstand eines Gelübdes sein. Danach versteht man es, wenn man unter Gelübde dem Oberen, den Heiligen etc. etwas verspricht; daß nämlich „ Versprechen selber der Stoff oder die Materie des Gelübdes wird; man gelobt demnach Gott gegenüber, das zu erfüllen, was man einem Menschen versprochen hat.
