Dritter Artikel. Jedes Gelübde verpflichtet dazu, es zu erfüllen.
a) Das scheint nicht. Denn: I. Ein Mensch bedarf in höherem Grade dessen, was für ihn vermittelst eines anderen Menschen geschieht; wie Gott, „der unseres Guten nicht bedarf.“ Ein einfaches Versprechen aber, welches der eine Mensch dem anderen macht, verpflichtet nach menschlichem Gesetze nicht zur Erfüllung; was da eingesetzt zu sein scheint auf Grund der Veränderlichkeit des menschlichen Willens. Also um so weniger verpflichtet ein einfaches Versprechen das man Gott macht, zu dessen Erfüllung. II. Niemand ist zu Unmöglichem verpflichtet. Manchmal aber wird das, was jemand gelobt hat, zu etwas Unmöglichem; sei es weil es von freien Willen eines anderen abhängt, wie wenn jemand gelobte, in einen Orden zu treten und von den Oberen nicht angenommen wird; oder sei es daß ein Fehler auftaucht, wie wenn eine Jungfrau gelobte, jungfräulich zu leben, und nachher verletzt wird; oder wenn ein Mann gelobt Geld zu geben und sein Vermögen verliert. Also verbindet das Gelübde nicht immer. III. Wozu jemand verpflichtet ist, das muß er ohne Zögern thun und zwar gleich. Manche aber, die ein Gelübde machen, sind nicht gehalten dasselbe gleich zu erfüllen; zumal wenn sie Zukünftiges gelobt haben. Also. Auf der anderen Seite heißt es Ekkle. 5.: „Was du gelobt hast, das erfülle; denn besser ist es, nicht geloben, wie nach dem Gelübde dasselbe nicht halten.“
b) Ich antworte, dies gehöre zur Treue und Aufrichtigkeit eines Menschen, daß er erfüllt, was er versprochen. Zumal aber Gott gegenüber ist der Mensch zur Treue verpflichtet, sowohl auf Grund der Allgewalt wie der empfangenen Wohlthaten. Im höchsten Grade also muß der Mensch halten, was er Gott versprochen hat. Deshalb nennt Salomo ein gebrochenes Gelübde „ein treuloses Versprechen, das Gott mißfällt.“
c) I. Der Anstand verlangt, daß der Mensch dem Menschen gegenüber sein Versprechen hält. Dazu freilich, daß eine Verpflichtung vor dem bürgerlichen Gesetze vorliege, wird noch manches Andere verlangt. aber gegenüber sind wir im höchsten Grade verpflichtet; nicht als ob Er unserer Güter bedürfte, sondern auf Grund der empfangenen Wohlthaten. II. Wird das Gelobte unmöglich, so muß der betreffende thun was er kann, damit er wenigstens seinen guten Willen zeige. Wer also in einen Orden einzutreten gelobt hat, muß sein Möglichstes thun, um aufgenommen zu werden. Und hat er sich an erster Stelle zu keinem bestimmten Orden verpflichten wollen, so muß er, wenn ihm der Eintritt in dem einen Kloster verweigert wird, suchen, in ein anderes aufgenommen zu werden. Hat er aber sein Gelübde nur auf einen bestimmten Orden gerichtet wegen des Wohlgefallens an der da herrschenden Lebensart; so ist er zu Weiterem nicht verpflichtet, falls er daselbst keine Aufnahme findet. Ist es jedoch seine eigene Schuld, daß der Eintritt in einen Orden ihm unmöglich gewoorden, so muß er noch dazu diese seine Schuld bereuen und büßen; gleichwie die Jungfrau, welche, nachdem sie Jungfräulichkeit gelobt, verletzt worden, nicht nur das, was ihr möglich ist, thun, d. h. beständige Enthaltsamkeit beobachten, sondern auch wegen dessen, was sie durch die Sünde verloren, Buße thun muß. III. Die Verpflichtung des Gelübdes hängt vom eigenen Willen und von der eigenen Absicht ab, nach Deut. 23.: „Was du einmal ausgesprochen hast, das sollst du halten und danach thun, wie du Gott es versprochen und wie du mit deinem eigenen Munde und deinem eigenen Willen ausgesagt hast.“ Wer also gelobt hat, etwas gleich zu thun, der muß es gleich thun; und wer für eine gewisse Zeit versprochen hat, der soll es für diese Zeit und unter den gemachten Bedingungen thun. Denn l. c. heißt es weiter: .,Hast du dem Herrn deinem Gotte ein Gelübde gelobt, so zögere nicht, es zu erfüllen; denn der Herr dein Gott wird danach fragen, und zögerst du, so wird dir dies zur Sünde angerechnet werden.“
