Achter Artikel. Der Untergebene als solcher kann sich nicht durch ein Gelübde verpflichten ohne die Zustimmung des Oberen.
a) Dem wird widersprochen. Denn: I. Die geringere Verpflichtung muß zurückstehen vor der größeren. Geringer aber ist die Verpflichtung, welche man einem Menschen gegenüber eingeht, wie die gegen Gott. II. Kinder können die Ordensprofeß ablegen ohne den Willen ihrer Eltern. III. Die Ordensleute können Manches thun, wie einzelne Psalmen beten u. dgl., ohne die Erlaubnis ihrer Oberen. Also können sie auch dergleichen versprechen; d. h. Gelübde darüber machen. IV. Nirgends ist den Unterthanen verboten, Gelübde zu machen. Ein solches Gelübde würde aber Sünde und somit verboten sein, wenn untergebene kein Gelübde machen dürften. Auf der anderen Seite wird Num. 30, 4. geboten: „Wenn ein Weib im Hause des Vaters und noch unter der väterlichen Gewalt stehend etwas gelobt hat, so ist sie nicht gehalten es zu erfüllen, wenn nicht der Vater zugestimmt hat;“ und dasselbe wird wiederholt betreffs des Weibes, das einen Ehemann hat.
b) Ich antworte, niemand könne durch ein Versprechen sich fest verpflichten zu etwas, worüber er keine Gewalt hat. Wer aber einem anderen untergeben erscheint, der hat darüber, worin er untergeben ist, keine Gewalt; sondern hängt mit Bezug darauf vom Willen des anderen ab. Also ist nach dieser Seite hin ein selbständiges Gelübde unmöglich.
c) I. Nur Tugendwerke können gelobt werden. Gott aber darbringen oder versprechen, was einem nicht gehört, ist kein Tugendakt. Also besteht da das Wesen eines Gelübdes nicht. II. Wenn der Mensch in die Jahre der Mündigkeit kommt — ist er anders frei — so kann er über seine Person verfügen; d. h. er kann in einen Orden treten oder eine Ehe eingehen. Er kann aber über nichts im Hause verfügen ohne den Willen seines Vaters. III. Gemäß der Regel ist der Ordensmann dem Oberen Gehorsam schuldig. So kann derselbe wohl für den Augenblick sich nach Gutdünken beschäftigen; muß aber immer gewärtig sein, dem Rufe des Oberen zu folgen und somit seine Beschäftigung zu unterbrechen. Kein Gelübde des Ordensmannes ist demgemäß fest ohne die Zustimmung des Oberen; wie auch nicht das Gelübde der Gattin ohne die Zustimmung des Mannes etc. IV. Wer als untergebener ein Gelübde macht, sündigt deshalb nicht; mag auch sein Versprechen kein festes sein, wenn mit ihm nicht die Billigung des Oberen verbunden ist; — denn in solchen Gelübden wird immer die stillschweigende Bedingung mitverstanden, „wenn es dem Oberen so gefällt“.
