Dritter Artikel. Die Stärke hat zum Gegenstande die Furcht und Kühnheit.
a) Die Stärke beschäftigt sich nicht mit Befürchtungen und mit Kühnheit. Denn: I. Gregor (7. moral. 8.) sagt: „Die Stärke der Gerechten ist es: das Fleisch überwinden, gegen die eigenen Vergnügungen angehen, das Ergötzen am gegenwärtigen Leben auslöschen.“ Also beschäftigt sich die Stärke viel mehr mit den Ergötzlichkeiten wie mit Furcht und Kühnheit. II. „Gefahren übernehmen, in Arbeit und Mühfal geduldig ausharren;“ dies ist nach Cicero Sache der Stärke. Das hat aber nichts zu thun mit den Leidenschaften der Furcht und Kühnheit; sondern betrifft mehr die mühevolle Thätigkeit des Menschen und außen bestehende Gefahren. III. Der Furcht steht auch die Hoffnung gegenüber, nicht nur die Kühnheit. Also muß die Stärke sich ebenso mit der Hoffnung beschäftigen. Auf der anderen Seite behauptet so Aristoteles. (2 Ethic. 7.)
b) Ich antworte, zur Tugend der Stärke gehöre es, die Hindernisse zu entfernen, wodurch der Mensch abgehalten wird, der Vernunft zu folgen. Daß aber jemand sich zurückzieht von etwas Schwierigem, kommt von der Furcht, welche besagt: Zurückweichen vor einem Übel, welches mit Schwierigkeiten verbunden ist, anstatt es abzuwehren. (I., II. Kap. 42, Art. 3 u. 5.) Also beschäftigt sich die Stärke zumal mit der Furcht vor schwierigen Dingen, welche den Willen zurückziehen können von der Gefolgschaft der Vernunft. Derartiges Ausstoßen von Schwierigkeiten aber muß man nicht allein geduldig hinnehmen, indem man die Furcht in etwa zügelt, sondern man muß darauf losgehen; wann nämlich die Sicherheit für die Zukunft davon abhängt, daß die Schwierigkeit und Gefahr vollständig verschwindet; — und dies ist Sache der Kühnheit. Die Stärke also verhindert die Wirkungen der Furcht und mäßigt die Kühnheit.
c) I. Gregor spricht da von der Stärke in ihrer Beziehung zu allen. Tugenden. Er fügt nur etwas hinzu, was die Stärke als eine besondere Tugend angeht; nämlich: „Das, was die Welt Rauhes bietet, um der ewigen Belohnungen willen lieben.“ II. Gefahren und Mühen ziehen den Willen nur dann vom Wege der Vernunft ab, wenn man sie fürchtet. Unmittelbar also beschäftigt sich die Stärke mit der Furcht und der Kühnheit; mittelbar mit Gefahr und Arbeit, den Gegenständen dieser Leidenschaften. III. Die Hoffnung steht im Gegensatze zur Furcht von seiten des Gegenstandes; denn ihr Gegenstand ist das Gute, der aber für die Furcht das Böse. Die Kühnheit hat mit der Furcht den nämlichen Gegenstand und ist von ihr nur unterschieden, weil sie auf das Schwierige losgeht; sich diesem nähert, während die Furcht davor zurückweicht. Die Stärke aber hat zum eigentlichen Gegenstande ebenfalls nur das zeitliche Übel, soweit es von der Vernunft abzieht. Also steht die Stärke recht eigentlich regelnd in der Mitte zwischen Furcht und Kühnheit.
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