Achter Artikel. Der starke hat kein Ergötzen an seiner Thätigkeit.
a) Das Gegenteil scheint klar zu sein. Denn: I. Jede Thätigkeit, die aus einem Zustande wie aus dem Princip hervorgeht, geht mit Freude und Ergötzen, weil leicht und mit Sicherheit, hervor (10 Ethic. 8.) Die Stärke aber ist ein innerer Zustand. II. Zu Galat. 5. (Fructus spiritus) sagt Ambrosius: „Die Tugendwerke werden Früchte genannt, weil sie den Geist mit heiligem, auafrichtigem Ergötzen erquicken.“ Die Stärke aber ist eine Tugend. III. Das Schwächere wird immer von etwas Stärkerem überwunden. Der starke aber liebt mehr das Gut der Tugend wie den eigenen Leib, welchen er der Todesgefahr aussetzt. Also überragt die Freude an der Tugend den körperlichen Schmerz; und so ist er thätig mit Freude und Ergötzen. Auf der anderen Seite fagt Aristoteles (l. c.): „Der starke scheint in seiner Thätigkeit nichts Ergötzliches zu haben.“
b) Ich antworte, die eine Art Ergötzen folge dem körperlichen Berühren, die andere der Auffassung der Seele. (I., II. Kap. 31.) Letztere begleitet vorzugsweise die Tugendwerke, da in denselben ein der Vernunft entsprechendes Gut gefunden wird. Die Hauptthätigkeit der Stärke nun besteht darin, das auszuhalten, was die Seele als etwas Trauriges auffaßt; wie z. B. daß das körperliche Leben verloren werden soll, welches der tugendhafte nicht nur als ein natürliches Gut liebt, sondern auch als etwas zur Übung der Tugenden Erfordertes; — oder daß gemäß dem Gefühle Schmerzliches zu ertragen ist wie Schläge, Verwundungen etc. Soweit also der starke gemäß der Auffassung den Tugendakt und dessen Zweck betrachtet, hat er Freude und Ergötzen. Andererseits aber muß er trauern sowohl dem Körper nach als auch indem er auffaßt, wie er z. B. das eigene Leben verlieren soll. Deshalb sagte Eleazar (2. Makk. 6.): „Harte Schmerzen halte ich aus; leide aber gern in meiner Seele auf Grund Deiner Furcht.“ Der körperliche Schmerz nun läßt nicht zu, daß man die Freude fühle, welche der Auffassung folgt; außer wenn überreichlich die Gnade vorhanden ist, welche in höherem Grade die Seele zu Göttlichem erhebt wie letztere von körperlichen Schmerzen gepeinigt wird. Deshalb sagte Tiburtius, er meine auf Rosen zu wandeln; als er mit nackten Füßen auf glühenden Kohlen einherschritt. Immerhin bewirkt aber die Tugend der Stärke, daß die Vernunft nicht vollständig aufgezehrt wird durch die körperlichen Schmerzen. Die Trauer nämlich, welche der Auffassung folgt, wird durch die Freude der Tugend überwunden; insoweit der Mensch das der Tugend entsprechende Gute vorzieht dem körperlichen Leben und Allem, was auch immer dazu gehört. Deshalb sagt Aristoteles (8 Ethic. 9.): „Der starke verlangt nicht, daß er sich ergötze, als ob er die Freude fühlen wollte; es genügt ihm, daß nicht trauert.“
c) I. Die angestrengte Thätigkeit des einen Vermögens hindert das andere Vermögen in seiner Thätigkeit; durch körperlichen Schmerz wird deshalb der starke Geist darin gehindert, daß er das Ergötzen, welches der ihm eigenen Thätigkeit entspricht, fühlt. II. Die Tugendwerke sind Gegenstände der Freude zumal auf Grund des Zweckes; wogegen sie in ihrer Natur traurig sein können und das trifft zumal zu bei der Stärke. Deshalb sagt Aristoteles (I. c.): „Nicht im Bereiche aller Tugenden ist man unter Ergötzen thätig; allerdings jedoch dann, insoweit man auf den Zweck sieht.“ III. Jene Art Trauer, welche der Auffassung folgt, wird im starken überwunden durch die Freude und das Ergötzen an der Tugend. Weil aber der körperliche Schmerz sich fühlbarer macht und die dementsprechende innliche Wahrnehmung dem Menschen mehr offenbar ist; daher kommt es, daß vor der Größe eines Schmerzes gewissermaßen jenes Ergötzen erlischt, welches der Zweck der Tugend hervorruft.
