12.
Denn indem er von der Schöpfung Erwähnung tut, schreibt er folglich auch von der schöpferischen Kraft, die bei der Schöpfung wirksam war, die ja das Wort Gottes ist, durch das alles entstanden ist. Wenn also die Schöpfung imstande ist, von sich aus allein ohne den Sohn Gott zu erkennen zu geben, dann habt acht, daß ihr nicht fallet und meint, die Schöpfung sei auch ohne den Sohn entstanden. Indes, wenn sie durch den Sohn geworden, und in ihm alles geworden ist, dann muß der, welcher die Schöpfung richtig betrachtet, auch das Wort, das sie ins Dasein gesetzt hat, richtig betrachten und durch dasselbe zur Erkenntnis des Vaters kommen. Wenn aber nach dem Worte des Heilandes „niemand den Vater erkennt als der Sohn, und dem der Sohn ihn offenbart“1, und wenn er auf die Worte des Philippus: „Zeige uns den Vater“2 nicht sprach: „Schau auf die Schöpfung!“, sondern: „Wer mich gesehen, hat den Vater gesehen“3, so hat Paulus, wenn er die Heiden S. 35 anklagt, daß sie trotz der Betrachtung der Harmonie und Ordnung in der Schöpfung nicht an das schöpferische Wort in ihr denken, — denn die Werke verkünden ihren Schöpfer, damit man aus ihnen den wahren Gott erkenne und von der Anbetung der Geschöpfe ablasse, — mit Recht gesagt: „Seine ewige Kraft und Gottheit“, um den Sohn anzudeuten. Wenn aber die Heiligen sagen: „Der vor den Zeiten besteht“ und: „Durch den er die Zeiten gemacht hat“, so verkünden sie ebenso wieder das ewige und immerwährende Sein des Sohnes, womit sie ihn auch als Gott bezeichnen. Denn so sagt Isaias: „Der ewige Gott, der die äußersten Grenzen der Erde erschaffen hat“4. Und Susanna sagte: „Der ewige Gott“5. Baruch schrieb: „Ich werde rufen zum Ewigen in meinen Tagen“6 und kurz hernach: „Denn ich hoffte auf den Ewigen für eure Rettung, und es kam mir Freude vom Heiligen“7. Da aber auch der Apostel in seinem Brief an die Hebräer sagt: „Welcher der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens ist“8 und auch David im 89. Psalme singt: „Und der Lichtglanz des Herrn sei über uns“9, und: „In Deinem Licht werden wir das Licht schauen“10, wer wäre so unvernünftig, daß er am ewigen Sein des Sohnes noch zweifelte? Denn wann sah einer Licht ohne den Schimmer des Abglanzes, um auch vom Sohne sagen zu können: „Es war einmal, da er nicht war“, oder: „Er war nicht, bevor er gezeugt wurde“? Und was im 144. Psalm zum Sohne gesagt wird: „Deine Herrschaft ist die Herrschaft über alle Zeiten“11, läßt nicht zu, irgendeine, wenn auch noch so kurze Unterbrechung zu denken, während der das Wort nicht bestanden hätte. Denn wenn jede Unterbrechung mit Zeiträumen sich messen läßt, aller Zeiten Schöpfer und König aber das Wort ist, S. 36 dann ist es, wenn vor ihm auch nicht die geringste Unterbrechung war, Wahnsinn zu behaupten: „Es war einmal, da der Ewige nicht war“, und: „Der Sohn ist aus dem Nichtseienden“. Da aber auch der Herr selbst sagt: „Ich bin die Wahrheit“12 und nicht sagt: Ich wurde die Wahrheit, sondern immer sagt: „Ich bin“ wie z. B. wenn er sagt: „Ich bin der Hirt“13, „ich bin das Licht“14 und wiederum: „Nennet ihr mich nicht Herr und Meister? Und mit Recht sagt ihr so; denn ich bin es“15, wer sollte, wenn er eine solche Selbstbezeugung von Gott und der Weisheit und dem Worte des Vaters vernimmt, an der Wahrheit noch zweifeln und nicht sogleich glauben, daß in dem „ich bin“ die Ewigkeit und absolut vorzeitliche Anfangslosigkeit des Sohnes ausgedrückt ist?
