30.
Dies erfreut die Gläubigen, betrübt aber die Häretiker, da sie ihre Häresie vernichtet sehen. Denn auch jene ihre weitere Frage: „Ist das Unentstandene1 Eins oder sind es zwei?“ zeigt, daß ihre Gesinnung nicht die rechte ist, sondern verdächtig und voll List. Denn nicht zur Ehre des Vaters fragen sie so, wohl aber zur Unehre des Wortes. Wenn nämlich einer, ohne ihre Verschmitztheit zu kennen, antwortet: „Das Unentstandene ist Eines“, so speien sie alsbald ihr Gift aus und sagen: Also gehört der Sohn zum Entstandenen und wir haben mit Recht gesagt: „Er war nicht, bevor er gezeugt wurde“. Denn sie mischen und mengen alles durcheinander, nur um das Wort vom Vater zu trennen und den Schöpfer aller Dinge zu den Geschöpfen zählen zu können. Fürs erste gehören sie schon daraufhin verurteilt, daß sie, die den Bischöfen des Konzils von Nicäa einen Vorhalt machen, weil sie nicht schriftgemäße2, S. 62 aber doch auch keine blasphemische, sondern nur auf Beseitigung ihrer Gottlosigkeit abzielende Ausdrücke gebrauchten, vor der gleichen Anklage sich nicht fürchteten und auch nicht schriftgemäße Wendungen gebrauchen und dabei auf Lästerungen wider den Herrn sinnen und weder das verstehen, was sie sagen, noch worüber sie Behauptungen aufstellen3. Sie sollen also die Heiden fragen, von denen sie es gehört haben, — denn nicht aus der Schrift, sondern von jenen stammt der Fund, — damit sie von ihnen vernehmen, welche Bedeutungen der Ausdruck4 hat, und sich überzeugen, daß sie nicht einmal über das, wovon sie reden, richtig zu fragen verstehen. Denn ihretwillen habe auch ich mich belehren lassen, daß „unentstanden“ genannt werde, was noch nicht geworden ist, aber werden kann, wie das Holz, das noch kein Boot geworden ist, aber werden kann, und daß „unentstanden“ genannt werde, was weder geworden ist, noch jemals werden kann, z. B. aus einem Dreieck ein Viereck und aus einer geraden Zahl eine ungerade. Denn weder ist aus einem Dreieck jemals ein Viereck geworden, noch wird es ein solches jemals werden, und auch die gerade Zahl ist weder jemals zu einer ungeraden geworden noch wird sie je zu einer solchen werden. Es wird ferner „unentstanden“ genannt, was zwar existiert, aber aus nichts entstanden ist, und absolut keinen Vater besitzt. Es hat aber auch der verschlagene Sophist Asterius5, der auch ein Anwalt der Häresie ist, in seiner Schrift noch beigefügt: „Unentstanden“ sei auch das, was nie gemacht wurde, sondern immer ist. Sie hätten also, wenn sie fragten, beifügen sollen, in welchem Sinn sie das S. 63 „unentstanden“ nehmen, damit der Gefragte auch eine richtige Antwort geben könnte.
Das Wort ἀγὲν[ν]ητον galt in den Philosophenschulen als gleichbedeutend mit „Gott“. ↩
Die Arianer beanstandeten die Ausdrücke, mit denen das Nicänum das Verhältnis des Sohnes zum Vater ausdrückte, nämlich die termini: ὁμοοὺσιος τῷ πατρί und ἐκ τῆς οὐσῑας τοῦ πατρός, weil sie in der Schrift nicht zu finden seien. Die Schrift kennt allerdings diese termini nicht und die Konzilsversammlung hat sie auch erst nach langem Bedenken und da die Stellungnahme der Arianer sie erforderten, gewählt, aber der Sache nach waren sie in Stellen wie Joh. 10,13.38; 14,9 enthalten. ↩
1 Tim. 1,7. ↩
Nämlich: ἀγὲνητος ↩
Asterius aus Kappadozien war von Beruf Lehrer der Rhetorik. Vom Heidentum zum Christentum übergetreten, opferte er unter Maximian und konnte daher später trotz der Unterstützung der eusibischen Partei kein kirchliches Amt erlangen. Er vertrat den Arianismus in seiner gemilderten Form sowohl mündlich, als schriftlich, schriftlich besonders in seinem Syntagma, das von Athanasius und noch mehr von Marcell von Ancyra bekämpft wurde. ↩
