25.
Es wäre nun wohl besser, wenn sie schwiegen. Da sie aber nicht nachlassen, so mag man ihnen nunmehr herzhaft auf eine solche unverschämte Frage ihrerseits in gleicher Weise folgende Fragen entgegenhalten. Vielleicht werden sie, wenn sie sich in die ähnlichen Ungereimtheiten verwickelt sehen, ablassen vom Kampf gegen die Wahrheit. Innig möge man also erst Gott um seine Gnade anflehen1 und dann mag man ihnen also begegnen: Ist der seiende Gott, da er nicht war, geworden, oder ist er auch, bevor er geworden ist? Hat er also, da er war, sich selbst gemacht oder ist er aus nichts und ist er, da er zuvor nichts war, plötzlich von selbst erschienen? Ungereimt ist eine solche Frage, ja ungereimt und der Lästerung voll, aber der S. 54 ihrigen ähnlich. Denn mag ihre Aussage so oder so lauten, sie ist voll jeglicher Gottlosigkeit. Wenn aber diese Fragestellung über Gott blasphemisch und der Gottlosigkeit voll ist, so ist wohl auch derartiges Fragen über seine Weisheit blasphemisch. Man muß aber gleichwohl zur Lösung dieser ihrer unvernünftigen und törichten Frage also antworten, daß Gott der ewig Seiende ist. Da der Vater immer ist, so ist auch ewig dessen Abglanz, der ja sein Wort ist, und wiederum hat der seiende Gott aus sich das Wort auch als seiendes. Und weder ist das Wort nachträglich geworden, während es früher nicht war, noch war der Vater jemals ohne Wort. Denn die Vermessenheit gegen den Sohn führt zur Lästerung wider den Vater, wenn er sich ja eine Weisheit, ein Wort und einen Sohn von außen her ersonnen hat. Denn welchen von diesen Begriffen du immer nennen magst, er bezeichnet, wie gesagt, die Zeugung aus dem Vater. Deshalb ist diese ihre Frage haltlos und zwar ganz natürlich. Denn indem sie das Wort [Vernunft]2 leugnen, ist auch ihre Frage unvernünftig. Denn wie einer, der beim Anblick der Sonne nach ihrem Abglanz fragte und sagen würde: „Hat die Seiende3 den Nichtseienden4 gemacht oder hat sie ihn gemacht, da er war?“ als des gesunden Menschenverstandes verlustig und schwachsinnig erachtet würde, weil er ja das, was vom Lichte ausgeht, als von außen stammend annimmt und darum fragt, wann und wo und ob es gemacht worden ist, so verrät auch der, welcher über den Sohn und den Vater so denkt und Fragen aufwirft, einen weit größeren Unverstand, weil er das vom Vater kommende Wort von außen ihm zuführt und die natürliche Zeugung zur Schattenfigur eines Geschöpfes erniedrigt und sagt: „Er war nicht, bevor er gezeugt wurde“. Doch sie mögen auf ihre Frage zugleich auch noch vernehmen, daß der seiende Vater den seienden S. 55 Sohn gemacht hat. Denn „das Wort ist Fleisch geworden“5 und da er Gottessohn war, machte er ihn, als die Fülle der Zeiten gekommen war, auch zum Menschensohn, wenn sie nicht etwa mit dem Samosatener6 sagen wollen, daß er auch vor seiner Menschwerdung nicht gewesen sei. Und dies mag auf ihre erste Frage als Antwort von unserer Seite genügen.
Vgl. dritte Rede c. 63. Solch ehrfurchtsvolle und fromme Sprache kennzeichnet den Athanasius auch in or. III c. Ar. c. 63; im Brief I an Serapion oc. 1. 2; im Brief an Epiktet c. 12 und an Maximus c. 1. ↩
In Ermangelung eines solchen doppeldeutigen Ausdrucks, wie ihn der Grieche in λὸγος hat [= „Wort“ und „Vernunft“], bleibt für den Deutschen das dort erzielte Wort- und Gedankenspiel unnachahmlich. ↩
Nämlich die Sonne. ↩
Den Abglanz. ↩
Joh. 1,14. ↩
Paul von Samosata war nach der Mitte des 3. Jahrhunderts der Hauptvertreter des dynamistischen Monarchianismus. Um die Einheit Gottes festhalten zu können, glaubte er Jesus für einen bloßen Menschen erklären zu müßen, ließ ihm aber anderseits den von ihm als unpersönliche Kraft gedachten Logos Gottes einwohnen. Die Synode von Antiochien 268 exkommunizierte ihn wegen seiner Lehre und setzte ihn als Bischof ab. Aber als Beamter und Günstling der Königin Zenobia von Palmyra wußte er sich in seiner Stellung zu behaupten bis zur Eroberung Antiochiens durch Aurelian [272]. Er war der unmittelbare Vorläufer der Arianer. ↩
