56.
Wenn aber die Worte in der Schrift so lauten, so wird darin, ihr Arianer, der Sohn nicht als ein geschaffenes Wesen angekündigt, sondern vielmehr als ein von den entstandenen Wesen verschiedenes, als dem Vater eigen und in seinem Schoße ruhend. Denn wenn auch hier geschrieben steht „geworden“, so will damit nicht gesagt sein, der Sohn sei geworden, wie ihr es versteht. Wenn er einfach das „geworden“ gesagt und dann geschwiegen hätte, dann bestünde für die Arianer ein Vorwand. Da er aber den Sohn vorher genannt und im ganzen Abschnitt nachgewiesen hat, daß er von den gewordenen Wesen verschieden sei, so hat er nicht das Wort „geworden“ für sich allein gesetzt, sondern vorzüglicher mit „geworden“ verbunden. Er hielt nämlich das Wort für belanglos in der Erkenntnis, daß, wer auf den als echt bekannten Sohn das „geworden“ anwendet, soviel sagt, als: er sei gezeugt1 und: er sei vorzüglicher. Denn für das Erzeugte ergibt sich kein Unterschied, ob S. 100 man nun sagt: „Es ist entstanden“, oder: „Es ist gemacht worden“. Die entstandenen Wesen aber, die Geschöpfe sind, kann man unmöglich gezeugt nennen, wenn man nicht etwa sagt, sie seien hernach durch Teilnahme am gezeugten Sohne gleichfalls gezeugt worden — doch dies keineswegs wegen ihrer eigenen Natur, sondern wegen ihrer Teilnahme am Sohne im Geiste. Auch dies weiß wieder die göttliche Schrift, wenn sie von den entstandenen Dingen sagt: „Alles ist durch ihn entstanden, und ohne ihn ist nichts geworden“2 und: „Du hast alles in Weisheit gemacht“3 und von den erzeugten Söhnen: „Dem Job wurden sieben Söhne und drei Töchter“4 und: „Abraham war hundert Jahre alt, als ihm sein Sohn Isaak wurde“5. Und Moses sagte: „Wenn jemanden Söhne werden“6. Wenn also der Sohn ein anderer ist als die entstandenen Wesen und nur Er die eigene Zeugung der Substanz des Vaters, dann berufen sich die Arianer vergebens auf das „geworden“. Denn wenn sie, obschon hiemit zuschanden geworden, sich zwingen wiederum zu behaupten, jene Worte seien vergleichsweise gesprochen, und deshalb seien die verglichenen Gegenstände gleichgeartet, so daß der Sohn die Natur der Engel hätte, so wird sie besonders Schmach treffen, weil sie für den Valentin, Karpokrates7 und die übrigen Häretiker Partei ergreifen und gleich ihnen reden, von denen der eine gesagt hat, die Engel seien gleicher Natur mit Christus, Karpokrates aber sagt, die Engel seien die Weltschöpfer. Denn von ihnen haben vielleicht auch sie gelernt, wenn sie das Wort Gottes mit den Engeln vergleichen. S. 101
Selbstverständlich kann nicht die Schreibweise γεγενῆσθαι, sondern nur γεγεννῆσθαι die richtige sein, welch letztere sich findet in den codd. Regius und Seguerianus. Denn Athanasius wird doch den Apostel nicht den Gedanken aussprechen lassen wollen, der Sohn sei geworden, wenn er gerade in diesen beiden cc. 55 u. 56 das Gegenteil zu erweisen sucht. ↩
Joh. 1,3. ↩
Ps. 103,24. ↩
Job. 1,2. ↩
Gen. 21,5. ↩
Vgl. Deut. 21,15. ↩
Karpokrates aus Alexandrien lebte in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts. Er war ein Platoniker und lehrte eine Weltbildung durch niedere Äonen und eine weitgehende Seelenwanderung. Die Sekte der Karpokratianer zeichnete sich entsprechend ihrer Lehre, Gut und Bös beruhen nur auf menschlicher Meinung, durch große Zügellosigkeit aus, war aber bereits am Ende des vierten Jahrhunderts erloschen. ↩
