5.
Man möge diese Deutung als ein Fantasieprodukt meines eigenen Kopfes abtun, wenn der Apostel sie nicht immer und immer wieder einhämmert, um auch die Schlafenden aufzurütteln und den Lästerern den Mund zu stopfen! So sagte er (Rm. 8,3): Gott sandte seinen Sohn in Gestalt des Fleisches, das unter der Sünde steht, damit er von der Sünde aus die Sünde im Fleisch verurteile. Sein Fleisch stand also nicht unter der Sünde, da es nicht auf dem Übertragungsweg der Sterblichkeit, durch den Mann, zu Maria gekommen war; da nun aber aus der Sünde der Tod hervorgeht, jenes Fleisch aber, obwohl aus der Jungfrau, dennoch sterblich war, hatte es – eben dadurch, dass es sterblich war – die Gestalt des Fleisches, das unter der Sünde steht. Und diese Gestalt nun nennt er auch ‛Sünde’, wenn er in der Fortsetzung sagt (ib. 8,3): damit er von der ‛Sünde’ aus die Sünde im Fleisch verurteile. Ebenso sagt Paulus an anderer Stelle (II Kor. 5,21): Jenen, der die Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir zur Gerechtigkeit Gottes werden in ihm. Warum also sollte Moses sich gescheut haben, das als verflucht zu bezeichnen, was Paulus ohne Scheu als Sünde bezeichnete? Als Prophet musste er das gewiss voraussehen und voraussagen, und war darauf gefasst, zusammen mit dem Apostel von den Häretikern getadelt zu werden. Wer nämlich den Propheten für das Wort verflucht tadeln wird, muss zwangsläufig auch den Apostel für das Wort Sünde tadeln; denn der Fluch ist ja ein Begleiter der Sünde.
