2.
Augustinus antwortete: Wie und warum das Alte Testament von den Erben des Neuen Testaments angenommen wird, haben wir schon oben erklärt (cf. Kp. 4,2). Doch zuvor (Kp. 4,1) hatte Faustus sich ja mit den Verheissungen jenes Testaments auseinandergesetzt, jetzt aber lenkte er die Auseinandersetzung auf dessen Vorschriften; meine Antwort darauf ist, dass diese Menschen überhaupt nicht wissen, welcher Unterschied besteht zwischen Vorschriften, die unsere Lebensführung regeln und Vorschriften, die Sinnbildcharakter für unser Leben besitzen. Um ein Beispiel zu nennen: Du sollst nicht begehren (ex. 20,17) ist eine Vorschrift zur Lebensführung; Alles was männlich ist, sollst du am achten Tag beschneiden (gen. 17,12) ist eine Vorschrift mit Sinnbildcharakter für unser Leben. Da nun die Manichäer und alle andern, denen die Schriften des Alten Testaments missfallen, aufgrund dieser Unwissenheit nicht erkennen, dass all das, was Gott dem früheren Volk auftrug, dazu bestimmt war, Zukünftiges in Form eines Schattenbildes zu feiern, und nur gerade wahrnehmen, dass es heute nicht mehr eingehalten wird, kritisieren sie jene Rituale nach dem Massstab der heutigen Zeit, wo sie doch jener Zeit durchaus angemessen waren, als das, was heute bereits enthüllt ist, als Kommendes sinnbildhaft angezeigt wurde. Doch was werden sie dem Apostel erwidern, der sagte (I Kor. 10,11): Dies alles widerfuhr ihnen modellhaft; geschrieben aber wurde es für uns, die das Ende der Zeiten erreicht hat.? Da haben wir es, damit hat er deutlich kundgetan, warum jene Schriften von uns angenommen werden, und warum jene Zeichen, die auf die Wirklichkeit verweisen, von uns nicht mehr beachtet werden müssen! Wenn er nämlich sagt: Geschrieben wurde es für uns, zeigt er in aller Eindeutigkeit, mit welcher Sorgfalt wir die Schriften lesen und interpretieren müssen, und welche Autorität sie für uns haben müssen, da sie ja für uns geschrieben wurden. Wenn er aber sagt (I Kor. 10,6): Das waren Modellbilder für uns, und (ib. 10,11): Dies widerfuhr ihnen modellhaft, zeigt er, dass es schon nicht mehr nötig ist, dass wir uns der Befolgung jener modellhaften, der Ankündigung dienenden Rituale unterziehen, da wir ja bereits die nun enthüllte Wirklichkeit feierlich begehen. Daher sagt er an anderer Stelle (Kol. 2,16 f.): Darum soll euch niemand verurteilen wegen Speise oder Trank oder in Sachen Festfeiern, ob Neumond oder Sabbat, was ja Schattenbilder dessen sind, was kommen wird. Auch hier weist er mit den Worten (Kol. 2,16): Niemand soll euch in diesen Dingen verurteilen, deutlich darauf hin, wie unnötig es ist, diese Dinge weiter zu befolgen; und wenn er sagt (ib. 17): Was ja Schattenbilder dessen sind, was kommen wird, zeigt er, wie zweckdienlich deren Befolgung zu jener Zeit war, als durch solche modellhaften Schattenbilder Zukünftiges vorhergesagt wurde, das uns inzwischen in strahlendem Licht enthüllt wurde.
