7.
Dass nun aber jene beiden Worte des Apostels: Den Reinen ist alles rein (Ti. 1,15), und: Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut (I Tim. 4,4), keinen Widerspruch zum Alten Testament darstellen, wo ja gewisse Fleischspeisen verboten werden (cf. Lev. 11), sollten die Manichäer, falls sie dazu fähig sind, so verstehen, dass der Apostel mit seinen beiden Aussagen auf die eigentliche Natur der Dinge Bezug nimmt, jene Schriften dagegen gewisse Tiere nicht aufgrund ihrer Natur, sondern ihrer Funktion als Sinnbilder für unrein erklärten, weil sie damit Modellbilder des Zukünftigen in einer Form, die jener Zeit angemessen war, vorstellen wollten. Wenn man also zum Beispiel nach der Bewertung des Schweins oder des Lamms fragt, so sind sie ihrer Natur nach beide rein, denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut (I Tim. 4,4), in ihrer Funktion als Sinnbilder dagegen ist das Lamm rein, das Schwein unrein. Das gleiche gilt, wenn man Wörter wie ‛stultus’ und ‛sapiens’ verwendet: beide sind nach der Natur des Wortklangs, der Silben und der Buchstaben, aus denen sie bestehen, gewiss rein, der Bedeutung nach aber kann eines von ihnen, das den Lautwert ‛stultus’ besitzt, als unrein bezeichnet werden, was nicht in der Natur des Wortes liegt, sondern darin, dass es in gewisser Weise als Bedeutungsträger für etwas Unreines dasteht. Und vielleicht kann man das, was das Schwein in seiner Funktion als Modellbild an Seiendem ausdrückt, gleichsetzen mit dem, was der Lautwert ‘stultus’ als Begriffskategorie an Seiendem ausdrückt, und sowohl jenes Tier, wie auch diese zwei Silben, die den Lautwert ‘stultus’ besitzen, sind in gewisser Weise Sinnbild für ein und dasselbe. Jenes Tier wurde ja im Gesetz deshalb als unrein bestimmt, weil es nicht wiederkäut; dies ist aber nicht seine Schuld, sondern seine Natur. Die Menschen dagegen, die durch dieses Tier versinnbildlicht werden, sind aus eigener Schuld, nicht von ihrer Natur her unrein; sie hören sich zwar bereitwillig die Worte der Weisheit an, denken aber nachher in keiner Weise darüber nach. Was ist das nämlich anderes als eine Art geistiges Wiederkäuen, wenn man, vom Reiz der Erinnerung geleitet, das, was man an Nützlichem gehört hat, gleichsam aus den Eingeweiden des Gedächtnisses zum Mund des Nachdenkens zurückruft? Wer das aber nicht tut, wird durch jene Tierart modellhaft dargestellt. So war also das Gebot, auf deren Fleisch zu verzichten, für uns eine prophetische Mahnung, einen solchen Fehler zu vermeiden. Weil nun gerade die Weisheit ein begehrenswerter Schatz ist, heisst es an anderer Stelle über die Reinheit des Wiederkäuens und die Unreinheit des Nicht-Wiederkäuens (prov. 21,20): Ein begehrenswerter Schatz ruht im Mund des Weisen, ein törichter Mann aber verschlingt ihn. Diese Gleichnisse in Form figurativer Redewendungen und Kultvorschriften sind, weil sie das Fragen und Vergleichen einüben, für denkende Köpfe eine nützliche und angenehme Anregung. Dem früheren Volk aber ist vieles davon nicht nur zum Anhören, sondern auch zum Befolgen aufgegeben worden. Es war nämlich die Zeit, in der es galt, nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten all das anzukündigen, was in späterer Zeit enthüllt werden sollte. Nachdem dies nun durch Christus und in Christus enthüllt ist, ist zwar die Last der kultischen Begehung dem Glauben der Völker nicht mehr auferlegt, umso mehr die Bedeutung der Prophetie anempfohlen. Damit wäre nun unsererseits geklärt, warum wir uns dem Alten Testament, in dem doch gewisse Fleischarten für unrein erklärt werden (cf. Lev. 11), nicht entgegenstellen, auch wenn wir, den Aussagen des Herrn (Mt. 15,11) und des Apostels (I Tim. 4,4) folgend, keinerlei Tierfleisch für unrein halten; nun seid ihr dran zu erklären, warum ihr die fleischlichen Wesen für unrein hält!
