8.
Wenn nun, wie eure Irrlehre es darstellt, als Folge jener Vermischung mit dem Volk der Finsternis nicht die fleischlichen Wesen, sondern euer Gott selber unrein geworden ist, und zwar in jenem Teil, den er seinen Feinden, in der Hoffnung, diese so niederringen und gefangen nehmen zu können, zum Verschlingen und Verunreinigen entgegengeschickt und beigemischt hatte, dann ist doch, als Folge eben dieser Vermischung auch alles andere, was ihr esst, unrein. Dagegen sagt ihr: ‘Doch die fleischlichen Wesen sind viel stärker verunreinigt’. Warum nun aber die fleischlichen Wesen stärker verunreinigt sein sollen: es würde zu weit führen, die ganzen Phantasmagorien ausführlich wiederzugeben, die sich die Manichäer zu dieser Frage ausgedacht haben; ich will hier nur kurz das Nötige berühren, um vor Augen zu führen, wie sehr diese Kritiker des Alten Testamentes unter der langdauernden Wirkung ihres Wahns geistig geschwächt sind, sodass man ihnen gar nachweisen kann, dass sie, als Ankläger des Fleisches, selber nur fleischlich, ohne jede geistige Wahrheit, denken. Denn vielleicht wird diese etwas ausführlichere Antwort den Leser soweit mit Argumenten gegen die Manichäer versorgen, dass in den weiteren Antworten von uns nicht mehr so ausführliche Darstellungen verlangt werden. Diese Fabeldichter und Seelenverführer erzählen also, dass anlässlich jenes Kampfes, bei dem ihr Erster Mensch das Volk der Finsternis mithilfe seiner listenreichen Elemente in die Falle lockte, die Archonten beiderlei Geschlechts festgenommen wurden, und dass dann aus ihnen die Welt erbaut wurde, wobei die meisten von ihnen am Himmelsgebäude festgenagelt wurden, unter ihnen auch einige weibliche Archonten, die schwanger waren. Diese hätten dann, als der Himmel sich zu drehen begann, die Drehbewegung nicht ertragen und deshalb ihre Leibesfrucht durch eine Fehlgeburt verloren; und diese Fehlgeburten, sowohl männlichen wie weiblichen Geschlechts, seien dann vom Himmel auf die Erde gefallen, seien am Leben geblieben, seien herangewachsen, hätten Nachkommen gezeugt und geboren. Dies sei der Ursprung aller fleischlicher Wesen, die sich auf der Erde, im Wasser und in der Luft bewegen. Wenn nun also die fleischlichen Wesen ihrem Ursprung nach vom Himmel kommen, ist es schon aus diesem Grund völlig absurd, sie als weniger rein zu betrachten; kommt noch hinzu, dass nach manichäischer Darstellung die Fürsten der Finsternis gleich beim Aufbau der Welt, verteilt über das ganze Weltgefüge, vom obersten bis zum untersten Punkt, festgenagelt wurden, und zwar so, dass die Position, die einem jeden zugebilligt wurde, um so höher lag, je höher der Anteil des Guten war, das sich mit ihm vermischt hatte. Und demzufolge müssten die fleischlichen Wesen, die ihrem Ursprung nach vom Himmel kommen, reiner sein als die Pflanzen, die aus der Erde emporwachsen. Gibt es ferner eine widersinnigere Geschichte als die, dass Föten, die gezeugt wurden, bevor das ‛Leben’ beigemischt war, soviel lebenskräftiger waren, sodass sie auch als Fehlgeburten und nach einem Sturz vom Himmel auf die Erde am Leben blieben, während sie seit der Beimischung des ‛Lebens’ nur dann überleben können, wenn sie ausgereift geboren werden, und sofort sterben, wenn sie aus nur geringer Höhe zu Boden fallen? Jedenfalls hätten sie bei diesem Krieg zwischen dem Reich des Lebens und dem Reich des Todes durch die Vermischung mit dem Leben lebenskräftiger werden müssen und nicht vergänglicher. Wenn aber jedes Wesen die Unvergänglichkeit in seiner eigenen Natur besser bewahrt, wäre es sinnvoller gewesen, wenn die Manichäer nicht zwei verschiedene Naturen, eine gute und eine schlechte, sondern zwei gute, deren eine vielleicht etwas besser ist, verkündet hätten. Worauf stützt sich also ihre Behauptung, dass die fleischlichen Wesen weniger rein seien, da diese doch, wie sie es darstellen, vom Himmel abstammen, zumindest jene, die uns allen bekannt sind? Denn jene ersten Körper der Fürsten der Finsternis sind ja, meinen sie, wie Würmer aus den Bäumen, die daselbst wuchsen, hervorgegangen, die Bäume selber aber aus jenen fünf Elementen. Wenn somit die Körper der Lebewesen ihren ersten Ursprung aus den Bäumen, den zweiten vom Himmel haben, was gäbe es noch für einen Grund, sie für weniger rein zu halten als die Früchte der Bäume? Wenn es der wäre, dass sie bei ihrem Tod die Seele verlieren, dass mithin die Unreinheit in dem liegt, was übrig bleibt, wenn das Leben ausgezogen ist, warum sind dann nicht in gleicher Weise auch die Gemüse und Baumfrüchte unrein, welche, wie oben gesagt wurde (288,24?), auch sterben, wenn sie gepflückt oder ausgerissen werden. Dieser Mordtaten wollen sie sich ja nicht schuldig machen, indem sie selber nichts von der Erde oder vom Baum abpflücken. Wenn sie im weiteren behaupten (wo?), dass sich im einen Körper des Lebewesens zwei Seelen befinden, eine gute vom Volk des Lichts, eine zweite, schlechte vom Volk der Finsternis, ist es dann etwa so, dass die gute Seele entflieht und die schlechte zurückbleibt, wenn das Lebewesen getötet wird? Wenn dies nämlich der Fall wäre, würde das getötete Lebewesen ja so weiterleben, wie es damals im Volk der Finsternis lebte, als es nur die Seele seines eigenen Volkes besass, mit der es sich auch gegen das göttliche Reich erhoben hatte. Wenn somit beim Tod eines jeden Lebewesens beide Seelen, sowohl die gute, wie auch die schlechte, das Fleisch verlassen, wie kann dann das Fleisch als unrein bezeichnet werden, als ob es einzig von der guten Seele verlassen würde? Denn selbst wenn nur so etwas wie Spuren des Lebens zurückbleiben, sind es Spuren von beiden Seelen, die zurückbleiben. Und die Manichäer behaupten ja, dass selbst in den Exkrementen noch irgendwelche winzige Spuren der Partikel ihres Gottes zurückbleiben. Sie finden also überhaupt keine Erklärung, warum sie so darauf beharren, dass fleischliche Nahrung weniger rein ist als pflanzliche. In Wirklichkeit betrachten natürlich die Manichäer das Fleisch deshalb für weniger rein, weil es aus dem Geschlechtsverkehr hervorgeht, und sie versuchen so, ihre hohe Sittlichkeit, die ja nur vorgetäuscht ist, zur Schau zu stellen; als ob sie nicht umso dringender verpflichtet wären, jener Partikel ihres Gottes durch Verzehr von Fleisch zu Hilfe zu eilen, je qualvoll enger sie sich deren Gefängnis im Fleisch vorstellen. Und überhaupt, wenn dies der Grund dafür ist, dass die fleischliche Nahrung weniger rein ist, sollen sie doch das Fleisch jener Tiere verspeisen, die nicht aus geschlechtlicher Zeugung hervorgehen, wie es bei unzähligen Wurmarten der Fall ist; gewisse Regionen Venetiens zählen etliche von ihnen, die aus Bäumen herauswachsen, zu ihren Lieblingsspeisen (Grüsel!). Und wenn sie das Fleisch jener Tiere so verabscheuen, die sich durch geschlechtliche Zeugung fortpflanzen, hätten sie auch die Frösche, welche die Erde nach kurzem Regenschauer spontan hervorbringt, auf ihren Speiseplan nehmen müssen, um damit jene Partikel ihres Gottes, welche solchen Tierarten beigemischt sind, zu befreien; damit würden sie zugleich die Menschheit auf eine Fehleinschätzung hinweisen, wenn sich diese von Geflügel und Tauben ernährt, die aus der Vereinigung von Männchen und Weibchen hervorgehen, anderseits die viel reineren Frösche, Kinder des Himmels und der Erde, ablehnt. Wenn man dem manichäischen Mythos folgt, sind ja die ersten Fürsten der Finsternis, deren Erzeuger Bäume waren, reiner als Mani selber, den Vater und Mutter durch Geschlechtsverkehr zeugten, reiner sind auch die Läuse, die ungeschlechtlich aus dem Körperschweiss oder den Ausdünstungen des Leibes entstehen, als ihre erbarmungswürdigen Träger, die selber aus dem Geschlechtsverkehr ihrer Eltern hervorgegangen sind. Wenn nun aber die Manichäer gar alles, was – selbst auf ungeschlechtlichem Weg – aus dem Fleisch hervorgeht, für unrein erklären, und zwar weil das Fleisch selber aus dem Geschlechtsverkehr entstanden ist, dann werden auch Gemüse und Feldfrüchte unrein sein, die durch Mistdüngung reicher und üppiger gewachsen sind. Sollen nun die, die behaupten, pflanzliche Nahrung sei reiner als fleischliche, sehen, was man da noch tun und antworten kann! Was gibt es nämlich Unreineres als die Fäkalien, die vom Fleisch ausgeschieden werden, was fördert den Ertrag der Pflanzen mehr als diese Fäkalien! Gewiss sagen nun die Manichäer, dass beim Zerkauen und Verdauen der Speisen das Leben daraus entflieht und nur noch ein ganz kleiner Rest in den Fäkalien zurückbleibt. Warum aber wächst dann eure Nahrung – und das sind die Feldfrüchte –, aus dem Mist, in dem sich nur noch ein winziger Funken Leben befindet, besser, grösser und üppiger heran? Das Fleisch wird nicht durch das, was die Erde entsorgt, sondern durch das, was ihr entspriesst, genährt; die Erde dagegen wird durch das, was das Fleisch entsorgt, nicht durch das, was aus ihm geboren wird, fruchtbar gemacht. Nun mögen sie wählen, was reiner ist, oder endlich sich belehren lassen und aufhören, zu den Unreinen und Ungläubigen zu gehören, denen nichts rein ist (cf. Ti. 1,15), und mit uns das Wort des Apostels annehmen, der sagt: Alles ist rein den Reinen (Ti. 1,15); dem Herrn gehört die Erde und ihre Fülle (Ps. 23,1); alles, was Gott geschaffen hat, ist gut (I Tim. 4,4). Denn alle Geschöpfe, welche die ihnen aufgrund ihrer Natur zugewiesene Rolle in der Schöpfungsordnung erfüllen, sind gut, und für niemanden sind sie Anlass zur Sünde, ausser wenn jemand sich selber nicht an seine eigene Rolle in der Schöpfungsordnung hält, die im Gehorsam gegen Gott zu erfüllen ist, und so durch falschen Gebrauch dieser Geschöpfe auch deren Rolle in der Schöpfungsordnung stört.
