2.
Ehe ich mich nun mit Dir über meinen Glauben unterhalte, der Dir wohlbekannt ist, sehe ich mich vorab gezwungen, auf die hiesigen barbarischen Verhältnisse einige bekannte Verse anzuwenden:
„Welch ein Menschengeschlecht? Wo wird so barbarischer Sitte S. b92 Heimisch zu werden erlaubt? Gastfreundliches Ufer verwehrt man, Stürmend zum Kampf, und verbietet, des Erdreichs Saum zu betreten“ 1 usw. Diese Verse habe ich einem heidnischen Dichter entnommen, damit die, welche den Frieden Christi nicht wahren, wenigstens von einem Heiden lernen, was Friede ist. Man nennt mich einen Ketzer, weil ich die Wesensgleichheit der Dreifaltigkeit vertrete. Wenn ich mich immer und immer wieder für drei für sich bestehende, wirkliche, unversehrte und vollkommene Personen einsetze, dann stempelt man mich zum Anhänger der Irrlehre des Sabellius. Wenn mir die Arianer solche Vorwürfe machen, dann ist dies verständlich. Wenn mich aber die Rechtgläubigen wegen dieser meiner Auffassung angreifen, dann haben sie aufgehört, rechtgläubig zu sein. Oder sie müssen mich, wenn sie es durchaus wollen, zusammen mit dem gesamten Abendlande und mit Ägypten, also auch mit Damasus und Petrus, 2 zum Häretiker machen. Warum beschuldigen sie nur einen Menschen, während sie seine Genossen ungeschoren lassen? Wenn der Fluß wenig Wasser führt, dann ist nicht der Ablauf, sondern die Quelle daran schuld. Man schämt sich aber, zu sagen: „Aus unseren Höhlenzellen verdammen wir den Erdkreis; in Sack und Asche uns wälzend, 3 sitzen wir über die Bischöfe zu Gericht. Wie paßt ein hochfahrender Sinn zum Büßergewande? Ketten, Schmutz und ungeordnetes Haar gehören zu Bußtränen, aber nicht zu Diademen.“ Sie mögen mir erlauben, zu schweigen. Warum zerreißen sie den, der ihren Unwillen nicht verdient? Wenn ich ein Häretiker bin, was kümmert es euch? 4 S. b93 Haltet doch den Mund; es ist ja überall bekannt! Ihr fürchtet wohl gar, da ich der syrischen und griechischen Sprache mächtig bin, ich möchte die einzelnen Kirchen aufsuchen, die Leute aufwiegeln und eine Spaltung hervorrufen. Niemandem habe ich etwas genommen, und ich nehme auch nichts an, ohne etwas dafür geleistet zu haben. Meinen täglichen Lebensunterhalt erwerbe ich mir im Schweiße meines Angesichts durch meiner Hände Arbeit. 5 Weiß ich doch ganz genau, daß der Apostel geschrieben hat: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ 6
